Trugschluss der Komposition
Ein Fehlschluss bei dem unzulässig von Teilen auf das Ganze geschlossen wird, ohne dass mögliche Effekte der Emergenz hinreichend beachtet werden (Emergenzfehler).
Beispiel:
Atome sind nicht lebendig.
Tiere und Pflanzen bestehen aus Atomen.
Also sind auch Tiere und Pflanzen nicht lebendig.
Durch die Zusammensetzung der Atome zu größeren Einheiten (Systemen) entstehen neue Eigenschaften, die in den Atomen selbst nicht (erkennbar) angelegt waren (☞ Emergenz). Wird dies bei Schlüssen von den Teilen auf das Ganze nicht in Betracht gezogen, kann man zu solchen widersinnigen Schlussfolgerungen gelangen.
Andere Namen
- Verallgemeinerungsfehler
- Trugschluss der Verallgemeinerung
- Fallacy of composition
- Fallacia compositionis
- Exception fallacy
Beschreibung
Der Trugschluss der Komposition ist das Gegenstück zum Trugschluss der Division und kann wie dieser in zwei Varianten auftreten:
In der häufigsten Form wird die Emergenz von Eigenschaften nicht beachtet, also dass ein Ganzes Eigenschaften haben kann, welche in den Bestandteilen zumindest nicht erkennbar angelegt sind. So wie in dem obigen Beispiel gezeigt.
Zum anderen kann damit auch auch eine Situation beschrieben werden, in der resultante Veränderungen von Eigenschaften der Bestandteile nicht oder nicht genügend beachtet werden. Das wäre z.B. der Fall, wenn man ignoriert, dass eine chemische Verbindung nicht den gleichen Energiegehalt hat, wie die Summe der Bestandteile, da diese gewöhnlich mit Energieabgabe- oder -aufnahe verbunden ist.
Hinweis: Eine klare Unterscheidung von emergenten und resultanten Eigenschaften kann schwierig sein und ist oft auch diskussionswürdig. Gerade in Wissenschaften wie der Physik und der Chemie wird dies auch tatsächlich kontrovers diskutiert. Alleine die Tatsache, dass es schwierig ist, eine klare Unterscheidung zu treffen, ist aber kein Argument dafür, dass eine solche Unterscheidung nicht existiere (☞ Kontinuumsirrtum).
Beispiele
Teamwork
Man nehme zum Beispiel eine Fußballmannschaft, die nur aus den besten Spielern besteht:
A ist der beste Stürmer,
B ist der beste Mittelfeldspieler,
…
K ist der beste Torwart.
Alle zusammen sind die beste Fußballmannschaft.
Zwar ist es hilfreich, herausragende Spiele in einer Mannschaft zu haben, aber um die „beste“ Mannschaft zu sein, müssen diese auch hervorragend zusammenspielen. Dieses „Zusammenspiel“ ist eine solche emergente Eigenschaft einer Mannschaft, welche die einzelnen Spieler für sich alleine nicht haben können.
Entsprechende könnte man auch z.B. über ein Orchester, Bands, sowie unzählige andere Gruppierungen gesagt werden, bei denen gutes Teamwork ein wichtiges Erfolgskriterium ist.
Eigentümliche Funktion des Menschen
In seiner Nikomachischen Ethik schreibt Aristoteles:
„Sollte es nun bestimmte Leistungen und Tätigkeiten für den Zimmermann oder Schuster geben, für den Menschen als Menschen aber keine, sondern sollte dieser zu stumpfer Tätigkeit geboren sein? Sollte nicht vielmehr so wie Auge, Hand, Fuß, kurz jeder Teil des Körpers seine besondere Funktion hat, auch für den Menschen über all diese Teilfunktionen hinaus eine bestimmte Leistung anzusetzen sein?“
Was Aristoteles hierbei zu übersehen scheint, ist, dass diese Funktionen erst in Relation zu einem höheren Organisationsniveau definierbar sind: ein Organ ohne Körper hat keine Funktion, ebenso wie ein Handwerker ohne eine Gemeinschaft, für die er seine Waren produziert, einer sinnvollen Tätigkeit nachginge.
In diesem Sinne ist die „Funktion“ – zumindest so wie Aristoteles sie hier benutzt – eine emergente Eigenschaft, die noch nicht in den Bestandteilen vorhanden ist. Sie für „den Menschen“ an sich, also ohne Festlegung einer solchen Relation festlegen zu wollen, ist daher zumindest problematisch.
Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass Aristoteles später „gutes Handeln“ in Relation zur Polis als Ziel beschreibt, was diese Relation wieder herstellt.
Determinismus und Freier Wille
Eine häufig gehörte Argumentation für eine strikt deterministische Weltsicht betrachtet die Frage des Freien Willens aus der Perspektive der Physik und könnte (etwas vereinfacht) wie folgt formuliert werden:
Alle Objekte der Physik verhalten sich nach streng deterministischen [physikalischen] Gesetzen.
Der Mensch besteht ausschließlich aus physikalischen Objekten.
Daher unterliegt auch das menschliche Verhalten ausschließlich deterministischen Gesetzmäßigkeiten.
Daraus folgt, es gibt es keinen freien Willen.
Diese Argumentation ähnelt dabei dem Beispiel in der Einleitung dieses Artikels, bei dem aus nicht-belebten Bestandteilen (Atomen) auf nicht-Belebtheit von Tieren und Pflanzen geschlossen wird. Hier wird nicht beachtet, dass die Fähigkeit zu freien Willensentscheidungen möglicherweise eine emergente Eigenschaft eines hochentwickelten zentralen Nervensystemes sein könnte, wodurch dieser Schluss zumindest fragwürdig wird.
Hinweis: Daraus, dass dieses Argument nicht stichhaltig ist, ergibt sich allerdings auch noch kein Beweis für den freien Willen. Siehe hierzu: ☞ (Argumentum) ad Logicam.
Siehe auch
Lernmaterialien
Weitere Informationen
- Composition auf Fallacy Files (Englisch)