Selbstüberhebung
Ein indirekter persönlicher Angriff (ad Hominem) durch eine positive, aber unbelegte Selbstassoziation und der implizierten Behauptung, dem Gegner fehlten Fähigkeiten der Erkenntnis, Analyse oder Verständnis.
Man kann diese Form von Diskussionstaktik erstaunlich häufig in sozialen Medien finden, etwa in folgender Form:
Wir Freidenker sind mal wieder die einzigen, welche die Wahrheit erkennen können.
Indem der Redner sich und seinesgleichen als „Freidenker“ bezeichnet, spricht er implizit anderen die Fähigkeit zum „freien Denken“ (und zur daraus folgenden „Erkenntnis der Wahrheit“) ab – oder bezweifelt diese zumindest – während er gleichzeitig seine eigenen Ansichten unbelegt als „Wahrheit“ überhöht.
Insbesondere für letzteres müssten natürlich stichhaltige Beweise angeführt werden. Es einfach zu behaupten, reicht definitiv nicht aus.
Andere Namen
- Indirektes Ad Hominem
- Eigenlob
Beschreibung
Als rhetorisches Mittel besteht die Selbstüberhebung darin, sich selbst oder eine Gruppe, mit der man sich selbst assoziiert, besonders positiv herauszustellen, insbesondere mit der Absicht, sich dadurch gegenüber dem Gegner oder der gegnerischen Gruppe abzugrenzen.
Dies wird gewöhnlich als indirektes ad Hominem verstanden, da es sich um einen Angriff auf die Person des Gegners handelt. Diese wird aber nicht direkt angegriffen (wie das etwa durch Unterstellungen oder Beleidigung geschehen würde), sondern stattdessen hebt sich der Gegenredner selbst positiv hervor und impliziert dadurch, der Gegner verdiene diese Hochstellung nicht.
Oft haben solche Selbstbezeichnungen auch die Funktion von Killerphrasen, wenn sie nämlich dazu gebraucht werden, Diskussionen direkt abzuwürgen oder entgleisen zu lassen.
Gruppendenken
Werden selbstüberhebende Begriffe, wie die hier beschriebenen, exzessiv in einer Gruppe gebraucht, kann dies ein Hinweis auf fortgeschrittenes Gruppendenken sein, bei dem festgefahrene Interpretationsmuster nicht mehr länger hinterfragt werden und man sich damit begnügt, sich gegenseitig darin zu bestärken, wie sehr man doch „wissender“ sei, als der Rest der Welt (Circlejerking).
Gebrauch von Jargon zur Ausgrenzung
Offensichtlich spricht nichts dagegen, in Diskussionen zwischen Fachleuten auch entsprechende Fachausdrücke zu gebrauchen, wenn diese eine eindeutigere und effektivere Kommunikation erleichtern. Solche Fachausdrücke können allerdings auch gebraucht werden, um sich gegenüber Dritten in eine vermeintliche Position des Expertentums zu erheben (Jargon) oder um eine weitere Diskussion zu unterbinden (Derailing ).
Beispiele
Frei-/Querdenker
Die Begriffe „Freidenker“ bzw. „Querdenker“ bezeichneten ursprünglich Personen, die in ihrer Denkweise festgefahrene Bahnen verlassen und/oder sich nicht von gesellschaftlichen Konventionen einschränken lassen und so neue Wege bereiten.
Es soll hier nicht diskutiert werden, inwieweit Personen, die sich heute (im Jahre 2021) selbst so bezeichnen, dieser Beschreibung gerecht werden – aber es sollte klar sein, dass eine solche Betitelung nur dann positiv sein kann, wenn sie von Dritten verliehen wird. Bezeichnet man sich selbst so, insbesondere als Teil des Diskurses, so handelt es sich genau um die hier beschriebene unfaire Diskussionstaktik, die zu implizieren versucht, andere seien nicht bereit oder in der Lage, jenseits der festgefahrenen Bahnen zu denken und nur man selbst habe die intellektuellen Fähigkeiten hierzu.
Da dies eine eher beleidigende Unterstellung ist, sollten man sich auch nicht wundern, wenn man beim Rest der Bevölkerung eher auf Ablehnung stößt.
„Wokeness“
Mit dem Adjektiv „woke“ (Präteritum von „to wake“, also frei übersetzt etwa: „erwacht“ oder „aufgeweckt“, oder auch „gut informiert“) bezeichnen sich bestimmte Gruppen, die sich radikal gegen u.a. Rassismus und Sexismus in der Gesellschaft einsetzen.
Während die grundsätzlichen Ziele dieser Gruppen fraglos unterstützenswert sind, verdienen die dazu eingesetzten Methoden, sowie das implizierte Selbst-, bzw. Gesellschaftsverständnis durchaus eine kritische Betrachtung. In diesem Zusammenhang fällt leider negativ auf, dass allzu oft Diskussionen schnell abgeblockt werden, mit der Implikation, wer eine andere Ansicht verträte, sei einfach nicht „woke“ genug (Killerphrasen).
„Kritisches Denken“
In eigener Sache: Vieles, was auf dieser Site beschrieben wird, wird an anderer Stelle oft unter dem Begriff „kritisches Denken“ beworben. Aus Sicht des Autoren kann dieser Ausdruck – je nachdem, wie er verwendet wird – auch als eine Form von „Selbstüberhöhung“ verstanden werden. Aus diesem Grund wird er auf dieser Site weitestgehend vermieden.
Einschränkungen
Es gibt durchaus Situationen, in denen die Selbstbezeichnung mit einem positiven Attribut ein rechtfertigbares Argument sein kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um eine der gültigen Formen von Autoritätsargumenten handelt.
Wir Mediziner haben da wohl eine andere Sichtweise auf Impfungen.
Zwar wird hier recht deutlich eine Ehre durch Assoziation mit dem Ärztestand impliziert, und ebenso wird hier medizinischen Laien die Befähigung abgesprochen, mitreden zu können (was als ad Hominem verstanden werden kann) – trotzdem ist das Argument gerechtfertigt (falls der Redner tatsächlich Mediziner ist), da die Kenntnisse, die im Medizinstudium vermittelt werden, tatsächlich eine Autoritätsposition rechtfertigen.
Ob es allerdings sinnvoll ist, die Mitdiskutanten mit solchen Aussagen zu brüskieren, ist eine andere Sache. Wahrscheinlich ist die Diskussion nach dieser Aussage aber ohnehin vorüber.