Verallgemeinerung
Verschiedene Fehler, die dabei entstehen, wenn man versucht, vom Spezifischen auf das Allgemeine zu schließen.
Hintergrund
Zunächst müssen wir unterschiedliche Formen von verallgemeinernden Schlüssen unterscheiden:
Induktive Schlüsse
Am Anfang steht immer die Beobachtung: So wurde bestimmt schon seitdem es Menschen gibt, bemerkt, dass diese – selbst wenn sie nicht durch Unfälle oder von Krankheiten (oder womöglich durch Raubtiere) ums Leben kamen – nicht über ein bestimmtes Alter hinaus am Leben blieben.
Auch wenn man niemals alle Menschen beobachten konnte (alleine schon, weil ein guter Teil davon ja noch lebt), kann man alleine daraus, dass es sehr viele Beobachtungen gibt, die dies zu bestätigen scheinen, und keine, die diesem widersprechen, eine allgemeingültige Aussage formulieren:
Alle Menschen sind sterblich.
Wir nennen einen solchen Schluss von vielen spezifischen Beobachtungen auf eine allgemeingültige Regel „induktiv“, im Gegensatz zum „deduktiven“ Schluss, der von der allgemeingültigen Regel zur spezifischen Situation führt.
Dabei sind die Anforderungen an einen solchen Schluss recht hoch: Neben sehr vielen Beobachtungen, die nötig sind, muss die Aussage prinzipiell auch falsifizierbar sein, es muss also zumindest eine theoretische Möglichkeit geben, dass sie widerlegt werden kann, und dies darf natürlich auch bisher noch nicht passiert sein.
In diesem Fall würde es zur Falsifizierung genügen, einen einzigen Menschen zu finden, der nicht sterblich ist. Dass dies aber über immerhin schon viele Jahrtausende hinweg noch nicht gelungen ist, macht dies zu einer sehr starken, allgemeingültigen Aussage.
Heuristiken
Eine andere Art von Schluss finden wir in dem folgenden Beispiel:
Dieses Gericht hat mir bisher in diesem Restaurant immer gut geschmeckt.
Also schmeckt mir dieses Gericht hier immer gut.
[Und ich sollte dieses Gericht auch heute wieder bestellen]
Dieser Schluss scheint nur auf einigen wenigen „Beobachtungen“ zu beruhen – und offensichtlich lässt er auch viele möglichen Faktoren außer Acht, wie etwa welcher Koch das Gericht zubereitet, welche Zutaten zu dieser Saison frisch verfügbar sind und so weiter. Trotzdem wird wohl jeder solche und ähnliche sogenannte „Heuristiken“ schon benutzt haben, um sich die Entscheidung leichter zu machen.
Das Ziel einer Heuristik ist es nicht, die perfekte Lösung zu finden, sondern nur eine, die „gut genug“ ist. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Es ist gut möglich, dass das Restaurant auch ein Gericht auf der Speisekarte hat, welches einem noch besser schmeckt, aber um dieses zu finden, müsste man zunächst alle Gerichte systematisch ausprobieren, externe Faktoren (Koch, Jahreszeit, …) in eine Kalkulation einbeziehen … und meistens ist das Ziel, etwas wohlschmeckendes zu essen, diesen Aufwand nicht wert. Also bleibt man bei dem „genügend guten“, schon bekannten Gericht.
Statistiken
Wieder eine andere Art von Schluss finden wir in der Statistik. Hier zum Beispiel wie eine Analyse einer Wahlumfrage aussehen könnte:
In einem Wahlkreis mit 100 000 Wahlberechtigten wurden 500 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihrer Wahlpräferenz befragt.
Von diesen gaben 275 an, Partei A wählen zu wollen.
Daraus folgt: mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % werden in diesem Wahlkreis zwischen 50,6 und 59,4 % der Wähler (Durchschnitt: 55 %) Partei A wählen.
Zunächst fällt auf, dass der Schluss nicht nur ein einfaches Ergebnis liefert, sondern gleich eine ganze Menge an Daten: Nicht nur erfahren wir, dass 55 % der Befragten für Partei A stimmen wollen, sondern auch, dass diese Zahl ungenau ist – einschließlich des Ungenauigkeitsfaktors (etwa 4.4 %). Darüber hinaus erfahren wir, dass selbst diese Abweichung mit einer bestimmten Unsicherheit kommt: in 95 % der Fälle wird das tatsächliche Ergebnis auch wirklich in diesen Bereich fallen – oder anders gesagt: in einem von 20 Fällen enden wir außerhalb des vorhergesagten Bereiches.
Auch diese Form von Schluss erlaubt es aber, allgemeingültige Aussagen zu treffen: in diesem Fall eben, dass rund 55 % der Wahlberechtigten in diesem Wahlkreis Partei A bevorzugen. Mehr noch, wir können sogar vorhersagen wie das Wahlergebnis in diesem Wahlkreis (mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) aussehen wird.
Fehlschlüsse
Vorschnelle Verallgemeinerung
Zu Problemen kommt es, wenn man Induktionen und Heuristiken miteinander vermischt. So wie etwa in diesem Fall:
Unsere italienischen Nachbarn sind oft laut und unfreundlich.
Also sind alle Italiener laut und unfreundlich.
Offensichtlich ist ein solches Anekdotenargument nicht wirklich geeignet, um eine solche vermeintlich allgemeingültige Aussage zu stützen. Selbst als Heuristik wäre ein solcher Schluss reichlich voreilig.
Während eine Heuristik zum Lieblingsgericht im Restaurant aber wenig schlimme Folgen hat, falls man doch einmal daneben liegt, können insbesondere Fehlschlüsse, die Personengruppen betreffen, zu Vorurteilen und Diskriminierung führen.
Eine solche Fehleinschätzung fällt umso leichter, als sie auch noch durch psychologische Effekte verstärkt wird. Insbesondere gibt es kognitive Verzerrungen, durch die wir allzu leicht zu Fehlschlüssen verleitet werden können:
Zunächst kann die Verfügbarkeitsheuristik dazu verleiten, die Häufigkeit, mit der ein Phänomen auftritt, falsch einzuschätzen. Diese Verzerrung führt dazu, dass Informationen, mit denen wir häufiger konfrontiert werden, als wichtiger und eben auch häufiger wahrgenommen werden.
Selbst wenn man sich im Prinzip der Tatsache bewusst ist, dass die Informationen, die wir durch Massenmedien (Zeitungen, Radio, TV, Internet) erhalten, schon durch die Auswahl der Themen und Ereignisse, über die berichtet wird, verzerrt sind, kann man sich kaum dessen entziehen, dass man dennoch die darin berichteten Ereignisse als sehr viel prävalenter wahrnimmt, als sie tatsächlich sind.
Zum Beispiel:
In den Medien werden Muslime vor allem im Zusammenhang mit Terroranschlägen erwähnt.
Also sind alle Muslime Terroristen.
Je nach eigener Perspektive darf man gerne diskutieren, inwieweit anstatt „Muslime“ und „Terroristen“ auch andere Personengruppen aufgrund von Medienberichten mit negativen Attributen in Verbindung gebracht werden, und inwieweit dies dazu führt, dass voreilige Schlüsse über die Gesamtheit gezogen werden.
Ökologischer Fehlschluss
Den umgekehrten Weg geht man beim ökologischen Fehlschluss. Hierbei werden gemeinschaftliche Eigenschaften einer Gruppe – insbesondere statistische Aussagen – auf die jeweiligen Individuen übertragen.
Ein Beispiel für eine solche Übertragung könnte wie folgt aussehen:
In der Stadt X haben 55 % Partei A gewählt.
Person B kommt aus der Stadt X.
Daher ist B ein Anhänger von Partei A.
Abgesehen davon, dass in diesem Fall fast die Hälfte der Bevölkerung nicht für Partei A gestimmt hat, gibt es sicher auch in der Stadt Untergruppen mit sehr viel höheren oder sehr viel niedrigeren Anteilen von Parteianhängern.
Noch absurder wird dies, wenn sich die Statistik nicht auf absolut, sondern auf relativ hohe Maße bezieht:
Die Kriminalitätsrate in der Stadt Y ist extrem hoch.
Person C kommt aus der Stadt Y.
Daher ist C kriminell.
Offensichtlich sind selbst in einer Stadt mit extrem hoher Kriminalitätsrate der allergrößte Anteil der Bevölkerung nicht kriminell.
In beiden Fällen gilt aber auch, dass die Schlüsse nur vorläufig ungültig sind. Findet man etwa heraus, dass B Mitglied der Partei A ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie auch diese Partei wählt, enorm an. Ähnlich verhält es sich, sollte man herausfinden, dass C mehrfach vorbestraft ist und womöglich den lokalen Mafiaboss zum Paten hat. Aber alleine aus dem Wohnort oder ähnlichen sehr generellen Eigenschaften, lässt sich kein sinnvoller Schluss auf das Individuum herleiten.