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Mereologie

Die Mereologie befasst sich mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Teil und Ganzem. Es handelt sich dabei um ein Teil­gebiet der Logik und Meta­physik, und sie hat prak­tische An­wend­ungs­gebiete, unter anderem in Be­reichen der künst­lichen In­tel­li­genz und der Wissen­schafts­theorie.

Der Name leitet sich vom alt­griech­ischen Wort „méros“ [μέρος] ab, was so viel wie „Teil“ oder „An­teil“ be­deutet. Es ist also die „Wissen­schaft von den Teilen“.

Insbesondere ist die Mereo­logie aber auch Namens­geber eines Denk­fehlers, der auf einem Miss­ver­ständnis da­rüber be­ruht, in welchem Ver­hält­nis Teil und Ganzes zu­ein­ander stehen:

Mereologischer Fehlschluss

Insbesondere wenn man Systeme be­trachtet, bei denen ver­schiedene Be­stand­teile zwar im Prin­zip unter­schied­liche Auf­gaben über­nehmen, kann man leicht ver­gessen, dass diese ihre Auf­gabe nur im Zu­sammen­spiel mit anderen Be­stand­teilen aus­üben können.

Ein gutes Beispiel für ein solches Sys­tem ist der mensch­liche Körper und ein Bei­spiel für einen solchen „mereo­logischen“ Fehl­schluss wäre etwa die folgende Aussage:

Das Gehirn ent­scheidet über unser Ver­halten.

Zweifellos ist das Gehirn wesent­lich für Ent­scheid­ungs­pro­zesse, die wir als „Ver­halten“ be­zeichnen, ge­nau­so wie aber auch die Füße nicht alleine da­für ver­ant­wort­lich sind, wie schnell wir rennen können, oder die Arme dafür, wie schwere Dinge wir heben können, kann auch das Gehirn nicht ohne andere Körper­teile „ent­scheiden“.

Alleine schon der Ein­fluss, den die Hor­mone oder die Sig­nale des Ver­dau­ungs­sys­temes auf unser Ver­halten haben, macht deut­lich, dass ein solcher Schluss das Phä­no­men „Ver­halten“ allzu sehr ver­einfacht.

Ein weiteres Beispiel ist die Politik eines Landes: diese wird nicht „nur“ von der Re­gier­ung (noch weniger von der Re­gier­ungs­chef­in/dem Re­gier­ungs­chef) be­stimmt, sondern ent­steht im Zu­sammen­spiel von zahl­reichen Aktoren und Inter­essen­gruppen.

Umgekehrter Mereologischer Fehlschluss

Auch der umgekehrte Weg kann ein Fehler sein: wenn nämlich die Funk­tionen eines Teiles auf das Gesamte über­tragen werden.

China hat ent­schieden, bis 2035 keine Fahr­zeuge mit Ver­brenn­ungs­motor mehr zu­zulassen.

Diese Ent­scheidung wurde aber nicht von „China“ getroffen – was ein Land ist, also ein ab­straktes Gebilde und damit kein Aktor, welcher Ent­scheid­ungen tref­fen kann (siehe hierzu auch das Kapitel Ab­strak­t­ion), und auch nicht von der Be­völk­er­ung dieses Landes, sondern von dessen Re­gierung, also einem (zwei­fel­los wich­tigen) Teil­sys­tem des Landes.

Gebrauch als rhetorisches Mittel

Das typische Merkmal für den mereologischen Fehl­schluss ist, dass ein funk­tio­naler Teil des Ganzen für die Funk­tion des Ganzen ver­ant­wort­lich gemacht wird, bzw. um­ge­kehrt das Ganze für etwas, was eigent­lich die Funktion eines Teiles ist.

Damit ähnelt dies den als „pars pro toto“ bzw. „totum pro parte“ be­kannten rhetorischen Figuren, bei denen man auf ähnliche Weise einen Teil für das Ganze (etwa „die eigenen vier Wände“ als Um­schreib­ung für das Zu­hause) oder das Ganze für einen Teil er­setzt (zum Beispiel: „Deutsch­land hat ge­wählt“, während tatsächlich „nur“ der wahl­berecht­ig­ten Teil der Be­völk­er­ung ge­wählt hat).

Allerdings liegt es gerade im Wesen dieser rhe­tor­ischen Fig­uren, dass sie so ge­braucht werden, dass die Ver­ein­fach­ung darin er­kenn­bar bleibt. Zu einem Denk­fehler wird es erst, wenn das Risiko be­steht, dass diese Ver­wechs­lung nicht mehr offen­sicht­lich ist und somit Teil und Ganzes in der Tat ver­wechselt werden.

Abgrenzung zu anderen Denkfehlern

Insbesondere die im Kapitel zur Emergenz er­wähnten Trug­schlüsse der Division bzw. Kom­posi­tion haben viele Ge­mein­sam­keiten mit dem mereo­logischen Fehl­schluss und sind in vielen Si­tu­a­tionen wahr­schein­lich auch nicht unter­scheid­bar. Ähn­liches gilt auch für den unter „Ver­all­ge­mein­er­ung“ er­wähnten öko­logi­schen Fehl­schluss. In vielen Pub­lika­tionen werden diese Fehler daher auch oft einfach zu­sammen­gefasst.

Allerdings gibt es einen spe­zi­fi­schen As­pekt des mereo­lo­gi­schen Fehl­schlusses, der diesen Fehler von den anderen Fehlern unter­scheidet, nämlich, dass er sich spe­zi­fisch auf ein Sys­tem bezieht, welches un­zu­lässig auf einen Teil re­du­ziert wird. Dagegen be­ziehen sich die anderen hier ge­nannten Denk­fehler auf Gruppen oder Popu­la­tionen.

Über diese Seite

Teil und Ganzes auf Denkfehler Online Diese Seite kommt von der Lernmaterialien-Sammlung auf Denkfehler Online, einem Projekt, die wichtigsten Denk- und Schlussfehler systematisch zu dokumentieren und verständlich zu erklären. Dabei geht es hier vor allem darum, einen verständlichen Einstieg in verschiedene Themenbereiche zu bieten.

Diese Seite ist Teil des Kapitels Teil und Ganzes. Weitere Artikel in diesem Themenbereich behandeln die Themen Verteilung, Emergenz, Mereologie und Verallgemeinerung.

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