(Verweis auf eine) falsche Autorität
Verschärfte Form des Autoritätsargumentes bei dem die Autorität überhaupt keine ist, oder der Verweis auf irgendeine Weise fehlerhaft ist.
Beispiel:
Die Erde ist eine Scheibe, weil das so in der Bibel steht.
Diese Aussage hat gleich mehrere Probleme: Zum einen ist die Bibel keine wirkliche Autorität in Planetenformen (falsche Autorität) und zum zweiten gibt es in der Bibel in Wahrheit keine eindeutige Aussage darüber, welche Form unser Planet hat (falscher Verweis).
Andere Namen
- Argument from false authority
Beschreibung
Wie schon im Artikel zum Autoritätsargument beschrieben ist ein Verweis auf eine Autorität potentiell problematisch, da sich auch diese irren können. Allerdings werden dort zahlreiche Ausnahmen aufgeführt, unter denen diese durchaus gültig und sinnvoll sein können.
In diesem Artikel geht es jedoch um Formen des Autoritätsargumentes, die in jedem Fall ungültig sind, da notwendige Voraussetzungen für eine Beweisführung missachtet wurden.
Dies soll beispielhaft anhand des folgenden vermeintlichen Einstein-Zitates erläutert werden:
Albert Einstein sagt: Wir nutzen nur 10 % unserer intellektuellen Kapazität.
1. Falsche Autorität
Eine grundlegende Voraussetzung dafür, einen Verweis auf eine Autorität als einen positiven Beitrag anzuerkennen, ist es sicher, dass die Autorität auch tatsächlich über Expertenwissen (bzw. normative Autorität) in dem entsprechenden Bereich verfügt.
Für das oben genannte Zitat heißt das: Albert Einstein war sicher eine Koryphäe in seinem Fachgebiet, nämlich der theoretischen Physik; In Themenbereichen, die für dieses Zitat relevant zu sein scheinen, insbesondere Neurologie oder Bildungsforschung dagegen ist er nicht als Experte bekannt und es gibt keinen Hinweis darauf, dass seine Meinung hierzu in irgendeiner Form gewichtiger oder bedeutsamer seien als die jedes anderen interessierten Laien.
Schwache Autorität
Eine Variante hiervon sind Personen, die tatsächlich Autorität in einem verwandten Fachbereich haben, aber diese unzulässig auf einen Bereich ausweiten, für den sie nur noch unter Vorbehalt gilt. Insbesondere wenn dies benutzt wird, um gegen echte Autoritäten in diesem Bereich anzuargumentieren.
So haben (Allgemein-)Ärzte eine (meist sogar sehr gute!) medizinische Ausbildung genossen, die es ihnen ermöglicht, ihre Patienten auf dem Stand der Forschung zu beraten – und zwar mit genug Autorität, dass die Patienten diesen Rat auch ernst nehmen sollten.
Wärend es daher also im Rahmen der Autorität des Hausarztes liegt, bestimmten Patienten aufgrund ihrer spezifischen Situation von spezifischen Impfungen abzuraten, übertreten sie den Rahmen ihrer Expertise wenn sie sich öffentlich gegen den Rat von spezialisierten Epidemiologen und Immunologen aussprechen und generell von Impfungen abraten.
Hinweis: Es liegt durchaus im Rahmen ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung, wenn Ärzte ihre Meinung zu Impfungen kundtun. Diese sollten dann aber eben nur als Meinungen und nicht als autorative Aussagen bewertet werden.
Anonyme Autorität
Eine besonders problematische Argumentationsweise ist es, auf eine (echte oder vermeintliche) Autorität zu verweisen, ohne diese zu benennen. Dies geschieht u.a. mit Phrasen wie „Experten sagen…“ oder „die Wissenschaft hat festgestellt…“, u.s.w.
Nichtsdestotrotz sind solche Verweise gerade in der Werbung weit verbreitet: Kaum eine Zahnpasta oder Nahrungsergänzungsmittel, welches nicht auf irgendwelche ominösen „klinischen Studien“ verweist, die dann aber nicht näher spezifiziert werden.
2. Falsches Zitat
Ebenso wichtig wie die korrekte Autorität ist auch die Frage, ob das Zitat auch korrekt wiedergegeben ist.
Eine allzu große Zahl der Zitate, die vermeintlich von Berühmtheiten wie Albert Einstein, Abraham Lincoln oder Sokrates stammen sollen, sind tatsächlich völlig frei erfunden.
Wir wissen nicht, ob Einstein das oben genannte Zitat nicht vielleicht tatsächlich irgendwann einmal von sich gegeben hat – sicher ist, dass es nicht von ihm stammt: so oder ähnlich wurde dieses Zitat tatsächlich schon lange vor Einstein verbreitet. Es taucht auf jeden Fall nicht in rigendeiner von Einsteins Publikationen oder Interviews auf. Man kann also davon ausgehen, dass es sich um ein falsches Zitat handelt.
3. Falscher Kontext
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt: Selbst ein korrektes Zitat einer wahren Autorität kann verfälschend wiedergegeben sein: ohne Kontext und den genauen Zusammenhang kann ein solches Zitat selbst das genaue Gegenteil aussagen als das, was es ursprünglich gemeint war.
Das genannte „Einstein-Zitat“ ist auch tatsächlich mehrdeutig: ist mit „unsere intellektuelle Kapazität“ die intellektuellen Fähigkeiten des Einzelnen gemeint, oder die Kapazität einer Gesellschaft als Ganzes, ihr intellektuelles Potenzial auszuschöpfen? Die Aussage wird gerne zur Unterstützung beider Bedeutungen hergenommen, aber zumindest eine davon ist wohl nicht was der Autor (wer auch immer das war) im Sinne hatte.
Exkurs: „Zitatmagnete“
Es fällt auf, dass viele solcher fragwürdiger Zitate immer wieder denselben Personen zugeschrieben werden. Offensichtlich werden diese mit Eigenschaften assoziiert, welche solche Aussagen besonders glaubwürdig erscheinen lassen sollen. Für dieses Phänomen hat sich der Begriff „Zitatmagnet“ etabliert.
Beispiele für solche „Zitatmagnete“ sind neben Albert Einstein, etwa Winston Churchill, Friedrich Nietzsche, oder auch Sokrates, aber auch andere Berühmtheiten der Geschichte oder Gegenwart.
Insbesondere wenn ein Spruch allzu gut mit einer Klischeevorstellung der jeweiligen Person zusammen zu passen scheint, sollte man ruhig mal nachfragen, ob dieser wirklich authentisch ist. Allzu oft ist er es nicht.
Beispiele
Werbung
Verweise auf falsche Autoritäten in der Werbung sehr beliebt: Es gibt kaum ein Produkt oder eine Dienstleistung, für die nicht mit Prominenten geworben wird: Fußballtrainer werben so für Automarken, Fernsehmoderatoren für Fertiggerichte oder Sportler für Mobilfunkverträge.
In den meisten Fällen gibt es keinen Grund, zu glauben, die in der Werbung dargestellte Prominenten hätten irgendeine bessere Kenntnis der Qualität der beworbenen Produkte als jede beliebige andere Person. Trotzdem wird der Vertrauensvorschuss, den wir solchen Personen geben, helfen, das Produkt zu verkaufen.
Zitate
Gerade auf den sozialen Medien kursieren alle möglichen „Zitate“, die (meist längst verstorbenen) Berühmtheiten zugewiesen werden – so wie z.B. das o.g. angebliche Einstein-Zitat. Diese werden immer wieder gerne hervorgeholt um, um eine wie auch immer geartete Position zu untermauern. Die wenigsten davon halten einer genaueren Inspektion stand. So wie auch das folgende:
Gerade bei sensiblen politischen oder gesellschaftlichen Themen sollte man daher besonders vorsichtig sein und sorgfältig überprüfen, ob ein Zitat wirklich in dieser Form belegbar ist, oder ob womöglich eine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wurde.
Diese Gefahr auf solche „alternativen Fakten“ hereinzufallen ist besonders groß in Situationen, in denen man dazu neigt, eher unkritisch mit Informationen umzugehen. Dazu gehören unter anderem Informationen, die wir von Freunden und Verwandten erhalten (z.B. über soziale Medien), und insbesondere solche, die einen bereits bestehenden Narrativ und/oder die eigene bestehende Meinung zu bestätigen scheinen (Bestätigungsneigung).
Zumindest sollte man es vermeiden, zweifelhafte Zitate weiter zu teilen und so womöglich selbst zur Verbreitung von falschen Informationen beizutragen.
Siehe auch
Weitere Informationen
- Argument from False Authority auf Logically Fallacious (Englisch)