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Etymologischer Irrtum

Die (falsche) Annahme, dass die ur­sprüng­liche Be­deut­ung eines Sym­bols (z.B. eines Wortes oder eines Be­griffes) immer noch die maß­geb­liche ist.

Beispiel:

A: Das war aber eine lausige Idee.
B: Eine Idee kann keine Läuse haben, deswegen ist diese Aus­sage unsinnig.

Der Begriff „lausig“ be­zeich­nete ur­sprüng­lich in der Tat ein von Läusen be­fall­enes Kleid­ungs­stück, Ma­tratze o.ä. Diese Be­deut­ung hat sich im Laufe der Zeit aber ge­ändert und so kann er heute als ab­wert­endes oder ver­stärk­endes Ad­jektiv auf fast alles an­ge­wendet werden, was nicht den Er­wart­ungen ent­spricht; Eben auch auf Ideen, die sich im Nach­hin­ein als nicht so gut her­aus­ge­stellt haben.

Beschreibung

Die Bedeutung von Wörtern ändert sich im Laufe der Zeit, und während es hilf­reich zum Ver­ständnis eines Be­griffes sein kann, seine Her­kunft zu kennen, sollte man nicht davon aus­gehen, dass die ur­sprüng­liche Be­deut­ung für alle Zeit und in jedem Kon­text un­ver­ändert bliebe.

Dies gilt insbesondere für Fach­aus­drücke, welche in einem Fach­gebiet mitunter radikal anders verwendet werden als in einem anderen (siehe z.B. Ontologie in der Philo­sophie gegenüber Ontologie in der Informatik).

Beispiele für deutsche Be­griffe, die eine sig­ni­fi­kanten Be­deut­ungs­ver­schiebung durch­gemacht haben:

  • dezimieren: ur­sprüng­lich „um ein Zentel re­du­zieren“, heute ganz allgemein „ver­rin­gern“.
  • Tier: bezeichnete ur­sprüng­lich nur Wild­tiere, wird heute auch für Haus­tiere ver­wendet.
  • Dirne: bezeichnete ur­sprüng­lich eine junge Frau, meist eine Magd; Seit dem Spät­mittel­alter wird es dagegen als „Prostituierte“ ver­standen.

Nicht-sprachliche Symbole

Solche Bedeutungs­ver­schieb­ungen be­treffen nicht nur Worte. Auch andere Symbole und Be­zeich­ner können ihre Be­deut­ung wan­deln. So geht das christ­liche Kreuz­symbol ur­sprüng­lich auf ein Folter- und Hin­richt­ungs­instru­ment zu­rück (Kreuz­ig­ung), wird aber heute all­gemein nicht mehr so ver­standen.

Ebenso ist eine mögliche Her­kunft des Ehe­ringes ein sym­bol­isches Ketten­glied, das an die „Bind­ung“ der Ehe­frau an den Mann er­in­nern sollte (diese Ety­mo­lo­gie ist aller­dings um­strit­ten). Das be­deutet aber nicht, dass dieses Symbol auch heute noch so ver­standen würde. Dies alleine schon, weil heute beide Ehe­part­ner jeweils einen Ring er­halten (das war üb­rigens nicht immer so).

Weitere Beispiele

„Menschheit“

In vielen Sprachen ist der Begriff „Mensch“ oder „Menschheit“ bzw. dessen Äquivalent auf die eine oder andere Weise von einem Begriff für „Mann“ abgeleitet – oder umgekehrt, das Wort für „Mann“ von einem allgemeineren Begriff für „Mensch“.

Die modernen deutschen Begriffe lassen sich etwa vom althochdeutschenmennisc“ herleiten, was so viel wie „männlich“ bedeutet. Ähnlich das altgriechische „ánthropos“ [ἄνθρωπος] oder das lateinische „hŏmo“, die beide je nach Kontext sowohl „Mann“ als auch „Mensch“/„Person“ heißen können.

Daraus sollte man aber nicht schließen, dass sich die hiervon abgeleiteten Begriffe spezifisch auf Männer beziehen würden. So bedeutet der Begriff „Argumentum ad hominem“ so viel wie „Argument gegen die Person“, ohne das dabei ein Geschlecht impliziert würde.

Geht man dann noch weiter in der Sprachgeschichte zurück, stößt man auf den noch älteren (Proto-Germanischen ) Wortstamm „*mann-“, welcher wiederum (meist) unspezifisch „Person“ oder „Mensch” bezeichnete (daher haben wir auch noch unser unspezifisches Pronomen „man“).

Solche plot-twists finden sich häufiger in der Sprachgeschichte. So spannend es sein kann, diesen nachzuforschen, so wenig taugen diese als Argumente für oder wider bestimmte heutige Interpretationen.

Rassismus

Nicht zuletzt sollte man auch bei dem Be­griff „Rass­is­mus“ be­achten: dieser beruhte zwar ur­sprüng­lich spe­zi­fisch auf dem Be­griff „Rasse“ (wel­cher üb­ri­gens auch aus and­eren Gründen prob­lem­at­isch ist), hat sich aber in­so­fern weiter ent­wickelt, dass er längst ganz all­ge­mein für eine Viel­zahl von Dis­kri­mi­nier­ungs­krit­er­ien ge­braucht wird, da­runter Her­kunft, Staats­an­ge­hörig­keit, relig­iöse oder kul­tur­elle Zu­ge­hörig­keit und weitere.

Das oft gehörte Ar­gu­ment, eine Dis­kri­mi­nier­ung auf­grund der Relig­ion oder dem kul­tur­ellem Hinter­grund sei kein „Rass­is­mus“, weil diese eben keine „Rassen“ seien, ist in der Tat ein gutes Bei­spiel für den hier be­schrieb­enen ety­mo­log­ischen Irrtum.

Siehe auch

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