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Strohmann-Argument

Rhetorischer Angriff auf ein un­zu­lässig ver­ein­fachtes oder grob ver­zerrtes und da­her leicht zu wider­leg­endes Argu­ment, mit der (im­pli­ziten) Unter­stell­ung, dass damit auch das ur­sprüng­liche Argu­ment wider­legt sei.

Beispiel:

A: Wir sollten mehr Geld in Erziehung und Schulen invest­ieren, um sicher zu stellen, dass unsere Kinder die beste mögliche Aus­bildung haben.
B: Anscheinend glaubt A, dass unsere Kinder dumm sind. Wir sind uns doch sicher alle einig, dass unser Nachwuchs in Wahrheit sehr clever ist. Der Vorschlag ist daher unsinnig.

Tatsächlich hat A nicht be­hauptet, dass die Kinder „dumm“ seien, sondern dass die Aus­bild­ung ver­bessert werden sollte. Wenn B dies be­hauptet und (üb­rig­ens mittels eines Appells an Emo­tionen) an­greift, benutzt er ein Stroh­man-Argument.

Namen

Andere Namen

  • Argument gegen Papp­kameraden
  • Straw man

Namensherkunft

Der deutsche Ausdruck „Stroh­mann“ ist eine direkte Über­setzung des englischen Be­griffes „straw man“. Dieser be­zieht sich auf Puppen (meist aus Stroh), die früher als Train­ings­gegner z.B. beim Fecht­training ein­gesetzt wurden. Diese sind nahe­lieg­ender­weise sehr viel ein­facher zu „besiegen“ als ein richtiger Gegner.

Der manchmal im Deutschen be­nutzte Begriff „Argu­ment gegen Papp­kamer­aden“ ent­spricht dieser (ur­sprüng­lichen) Be­deut­ung, ist aber recht sperrig. Da aber auch im Deutschen oft der eng­lische Aus­druck „Straw­man“ ver­wendet wird, ist der direkt über­setzte Begriff wahr­schein­lich in den meisten Kon­texten ver­ständ­licher.

Daneben hat „Stroh­mann“ im Deutschen auch eine andere Be­deut­ung: so be­zeich­net man eine Person oder Firma, die an­stelle einer anderen Ge­schäfte macht. Diese Be­deut­ung hat zwar einen anderen Ursprung (näm­lich das fran­zö­si­sche „homme de paille“), ist aber in der Be­deut­ung nicht allzu weit vom „Stroh­man-Ar­gu­ment“ entfernt, welches ja an­stelle des „rich­tigen“ Ar­gu­mentes dis­ku­tiert wird.

Beschreibung

Eine gut auf­gebaute Argu­men­ta­tion oder Dis­kus­sions­posi­tion sauber zu wider­legen ist keine ein­fache Auf­gabe und gerade wenn diese auch komplex ist, kann es auf­wändig und schwierig sein, dies auf eine zu­frieden stell­ende Weise zu tun.

Schlimmer noch: allzu leicht stellt sich bei der Aus­ein­ander­setz­ung mit der geg­ner­ischen Posi­tion her­aus, dass die eigene Argu­menta­tion in der bis­herigen Form nicht mehr halt­bar ist. Oder wo­möglich findet der ein oder andere Be­ob­achter die Posi­tion des Gegners dann auch noch ein­leucht­ender als die eigene …

Stattdessen scheint es oft viel ein­facher, dem Gegner eine ver­zerrte Argu­men­ta­tion in den Mund zu legen, die mit ge­ringem Auf­wand, voll­ständig und auch für alle ver­ständ­lich wider­legbar ist.

Dabei bleibt natürlich das Problem, dass das ursprüngliche Argu­ment eben nicht wider­legt wurde. Des­wegen ist dies hier unter „Schein­argu­mente“ auf­ge­führt. Zweifel­los handelt es sich aber eben­so sehr um eine un­faire Dis­kus­sions­taktik.

Im Folgenden werden einige übliche Methoden, Stroh­mann-Argu­mente vor­zu­bringen, kurz an­ge­ris­sen. Diese Liste erhebt aber keinen Anspruch auf Voll­ständ­igkeit. In einigen Fällen gibt es auch spezifischere Artikel zu den jeweiligen Formen:

Verzerrung der ursprünglichen These

Es wird eine ver­zerrte, über­mäßig ver­ein­fachte oder einfach komplett falsch dar­g­estellte Ver­sion der geg­ner­ischen These dar­ge­stellt. Diese ist so ge­staltet, dass sie leichter zu wider­legen oder zurück­zu­weisen ist.

Im extremen Fall wird auf das eigentliche Argument des Gegners überhaupt nicht mehr ein­ge­gangen und statt­dessen gleich etwas völlig anderes „wider­legt“ (Ignoratio elenchi ).

Widerlegung eines Scheingegners

Die Position wird hierbei durch einen vor­ge­blichen Gegner dar­gestellt (der eine Rolle ähn­lich des Advo­catus dia­boli ein­zu­nehmen vor­gibt). Aller­dings nutzt dieser Schein­gegner dann nur schwache und leicht zu wider­legende Argu­mente.

Oftmals muss man einen solchen Schein­gegner noch nicht ein­mal er­finden – in fast jeder Gruppe findet sich auch der eine oder andere Ver­treter, der be­sonders abs­truse und wenig durch­dachte Posi­tionen ver­tritt. Sucht man sich gezielt diese zur Wider­legung heraus, um zu ver­meiden, sich mit schlag­kräft­ig­eren Argu­menten aus­ein­ander­setzen zu müssen, spricht man auch von Nut­picking.

Ablenkung auf Detailfragen

Anstelle die Haupt­these oder die eigent­lich strittige Kern­frage anzu­greifen, wird ver­sucht, auf „Neben­kriegs­schau­plätzen“ Punkte zu er­zielen. Dies könnte man dann eher zu den rhe­tor­ischen Ab­lenk­ungs­manövern zählen.

Im Extremfall wird dann minutiös eine Neben­säch­lich­keit zer­pflückt, die aber letzt­lich keine Rele­vanz für das eigent­liche Thema der Dis­kus­sion hat. Wird dann in diesem ein Ein­ge­ständ­nis er­rungen, wird es so dar­ge­stellt, als habe man auch in der Haupt­frage die Dis­kus­sion „ge­wonnen“ (⁠Turm‐und‐Wall-Fehler).

Gerne wird dabei die ei­gent­liche Streit­frage als bereits im eigenen Sinne ent­schieden an­ge­nom­men (siehe: Peti­tio prin­ci­pii), oder gleich kom­plett ignoriert.

Als Bezeichner für diese Praxis wird manch­mal der Neo­log­is­mus „(Argu­mentum) ad minu­tiam “ – frei übersetzt: „(Argu­ment) gegen eine Neben­säch­lich­keit“ – ver­wendet.

Gerechtfertigte Anwendung

Es handelt sich um kein Strohmann Argument, wenn ein ab­strakt und wo­mög­lich vage forvmu­liertes Argum­ent des Gegners kon­kreti­siert wird, um es zu ver­deut­lichen. Ins­be­sondere, wenn ein Bei­spiel vor­ge­bracht wird. Aller­dings muss dies natür­lich die geg­nerische Position fair und korrekt wiedergeben.

Hat man die Thesen des Gegners tat­säch­lich nicht voll­ständig ver­standen, oder steht zu be­fürchten, dass zu­mind­est ein Teil der Zu­hörer die Post­ition oder deren Im­pli­ka­tionen nicht erfasst hat, kann es sinn­voll sein, sie noch­mals in eigenen Worten zu­sammen­zu­fassen. Sinn­voller­weise bittet man den Gegner dann aber um eine Be­stät­ig­ung, dass dies seine Posi­tion kor­rekt wieder­gibt.

Auch eine Um­formu­lier­ung der geg­ner­ischen These, welche even­tuelle Wider­sprüche ver­deut­licht, kann ge­recht­fertigt sein. Man sollte den Gegner dann aber um eine Be­stät­ig­ung bitten, dass dies tat­säch­lich seine Posi­tion wider­spiegelt

Beispiele

Klimawandel / steigende Meeresspiegel

Wenn ein Eisberg schmilzt, nimmt das Schmelzwasser genau so viel Platz ein, wie der Eisberg vorher verdrängt hat.
Daher wird durch ein Abschmelzen der Eisberge der Meeresspiegel nicht steigen.
Also sind Warnungen vor einem steigenden Meeresspiegel durch die globale Erwärmung unsinnig.

Der Redner hier ver­weist auf das sog. Archimedische Prinzip, nach dem ein schwim­mender Körper genau so viel Wasser ver­drängt, wie seinem Ge­wicht ent­spricht. Schmilzt der Eis­berg, nimmt das Schmelz­wasser also ziem­lich ge­nau den Platz ein, den der Eis­berg zuvor ver­drängt hat (klein­ere Ab­weich­ungen auf­grund des Gewichts­unter­schiedes zwischen Süß- und Salz­wasser so­wie der Wärme­aus­dehn­ung sind hier­bei wenig rele­vant).

Allerdings „vergisst“ der Redner zu er­wähnen, dass das Schmelzen von schwim­menden Eis­bergen nie ernst­haft als Grund für das An­steigen des Meeres­spiegels vor­ge­bracht wurde. Das eigent­liche Problem sind Eis­massen, die nicht schwim­men, also etwa Gebirgs­gletscher und vor allem die In­lands­eis­massen, etwa auf Grön­land oder der Ant­arktis.

Da hier also eine andere Frage an­ge­griffen wird, als die, welche als wider­legt vor­ge­geben wird – und zwar eine, die leicht zu wider­legen ist – handelt es sich daher um ein Stroh­mann-Argu­ment. So löblich es ist, seinen Lesern physi­kal­isches Grund­wissen bei­zu­bringen, als Wider­legung von Ar­gu­menten zum An­steigen des Meeres­spiegels taugt die Er­läuter­ung nicht.

Klimawandel / gesellschaftliche Diskussion

Aber auch auf der anderen Seite der Diskussion findet man Stroh­mann-Argumente. Man betrachte die folgende Aussage:

Alle Argumente gegen Klima­schutz sind in Wirk­lichkeit rhetorische Tricks.
Es gibt keine Argumente gegen Klimaschutz.

Es ist in der Tat schwer, gegen (mehr) Klima­schutz zu argu­mentieren, ohne den Stand der Wissen­schaft infrage zu stellen (Alternative Fakten) oder auf eher ab­wegige Posi­tionen zu geraten – etwa den Wunsch nach mehr Sommer­tagen (was wahr­scheinlich ohnehin eher unter die Rubrik Wunsch­denken fällt).

Aus diesem Grund wird sich auch kaum jemand ernst­haft gegen Klima­schutz an sich posi­tion­ieren. Die ge­sell­schaft­liche Diskussion dreht sich eher um die Frage, welche Kosten und Ver­änder­ungen für welche Per­sonen­gruppe zum Zwecke des Klima­schutzes zu­mut­bar sind, welche tat­sächlich effi­zient sind, und nicht zuletzt auch welche anderen gesellschaftlichen Ziele – von der Verringerung der Arbeitslosigkeit bis zu anderen Aspekten des Umweltschutzes – wir bereit sind, diesem Thema hintenan zu stellen.

Durch die obige Aussage wird implizit der geg­ner­ischen Seite vor­ge­worfen, gegen Klima­schutz zu sein, wenn diese tat­sächlich ar­gu­mentiert, dass bestimmte Maß­nahmen nicht zu­mutbar oder in­effi­zient seien. Auch dies ist damit ein Stroh­mann-Argument.

Moralphilosophie

Laut Kant können wir tun und lassen, was wir wollen, solange es alle anderen auch dürfen.
Daraus folgt, dass wir uns auch gegenseitig ermorden dürften.
Folglich ist Kants Philosophie als ethische Handlungsanleitung widersinnig.

Würde die erst­genannte Aussage wirklich Kants Kate­gor­ischen Im­pera­tiv wider­spiegeln, wäre dieser in der Tat kein brauchbarer Leit­faden für moral­isches Handeln. Tat­säch­lich ist das aber eine grob ver­ein­fachende Dar­stell­ung, die nur noch ober­fläch­liche Ähn­lich­keit mit Kants Philo­sophie hat. Eine solche „Wider­legung“ taugt daher nicht zur Kritik am Kate­gor­ischen Imperativ.

Siehe auch

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