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Äquivokation

Gebrauch eines Begriffes in mehreren verschiedenen Bedeutungen. Äquivokationen sind eine mögliche Quelle von Missverständnissen und logischen Mehrdeutigkeitsfehlern.

Beispiel:

Alle Linsen sind Hülsenfrüchte.
Alle Fotoapparate enthalten Linsen.
Daraus folgt: Alle Fotoapparate enthalten Hülsenfrüchte.

Hierin bezieht sich der Begriff „Linse“ einmal auf ein transparentes Objekt, welches zur Lichtbeugung dient, und einmal auf die Frucht der Pflanze Lens culinaris. Auch wenn das Wort identisch ist, beschreibt es doch zwei verschiedene Dinge; Durch diese Äquivokation begeht der obige Syllogismus daher den Fehler des mehrdeutigen Mittelbegriffes.

Quellen von Mehrdeutigkeit

Mehrdeutigkeiten von Wörtern

Wörter können auf verschiedene Weisen mehrdeutig sein; Dies wird im Artikel zur „Homonymie“ genauer erläutert. Hier nur einige Beispiele für die verschiedenen Arten von Homonymen:

  • Polysemie: Pferd (Reittier) / Pferd (Schachfigur) / …
  • Homograph: umfahren (überfahren) / umfahren (drum herum fahren)
  • Homophon: Wagen / Waagen / wagen

Darüber hinaus können Äquivokationen daraus entstehen, dass ein Begriff im übertragenen Sinn verwendet wurde (siehe: Metonymie).

Mehrdeutigkeiten der Grammatik und Aussprache

Wenn die Mehrdeutigkeit auf einer Undeutlichkeit der grammatikalischen Struktur beruht, spricht man von einer Amphibolie.

In vielen Fällen sind Amphibolien abhängig von der Betonung oder einer speziellen Satzmelodie. In diesen Fällen spricht man von Prosodien.

Mehrdeutigkeiten von Konzepten und Positionen

Nicht nur einzelne Wörter oder Begriffe können aufgrund von Mehrdeutigkeiten verwechselt werden, auch komplexe Konzepte oder Positionen können hiervon betroffen sein. Dabei gilt auch, dass je abstrakter und komplexer diese sind, umso schwerer kann es fallen, diese Mehrdeutigkeit auch zu erkennen.

Eine ganze Klasse and Denk- und Argumentationsfehlern, die auf unscharfen oder mehrdeutigen Definitionen von Begriffen beruhen sind die Turm‐und‐Wall-Fehler: dabei werden zwei miteinander verwandte, aber deutlich zu unterschiedende, Positionen zusammengeworfen, von denen ein Teil argumentativ leicht, andere dagegen schwer zu verteidigen sind. Diese beruhen auch häufig auf Äquivokationen oder sogar Umdefinierungen der verwendeten Begriffe.

Konjunktionen und Kopula

Nicht nur die eigentlichen Begriffe können mehrdeutig sein, sondern auch die oft übersehenen kleineren Bestandteile der grammatikalischen Struktur einer Aussage.

Dies betrift insbesondere die Verben, durch die eine Beziehung zwischen den Subjekt un d hergestellt wird, insbesondere in der gesprochenen Sprache, welche oft nicht die gleichen Anforderungen an Genauigkeit erfüllen wie sie für formelle logische Ausdrücke gebraucht würde.

Man betrachte das folgende Beispiel:

1 ist eine Zahl
2 ist eine Zahl
Daraus folgt: 1 ist 2.

Hier wird das Begriffsverb „sein“ in den Prämissen im Sinne von „ist Element von“ verwendet, während es im Schluss als „ist äquivalent zu“ gebraucht wird.

Nebenbei begeht der obige Syllogismus übrigens auch noch den Fehler des unverteilten Mittelbegriffes.

Ein ähnliches Problem betrifft die Kopula in einer Disjunktion (bezeichnet durch den Junktor „und“), bei welcher zwischen einer inklusiven (Adjunktion) und einer exklusiven (Kontravalenz) Variante unterschieden werden muss.

Abstrakte Begriffe

Während der Gebrauch von Synonymen bei Begriffen, die für reelle Objekte oder deren wahrnehmbaren Eigenschaften stehen, meist recht einfach zu durchschauen ist, kann die Unterscheidung bei abstrakten Konzepten mitunter recht schwierig sein, wie das folgende Beispiel (frei nach Thomas von Aquin) zeigt:

Mensch ist eine (biologische) Gattung.
Sokrates ist ein Mensch.
Daraus folgt: Sokrates ist eine (biologische) Gattung.

Hierbei ist das Wort „Mensch“ im Obersatz die Gattungsbezeichnung, bezieht sich also auf den Genus „Mensch“, während dasselbe Wort im Untersatz spezifisch die Individuen dieser Gattung bezeichnet. Man könnte letzteres also umformulieren in: „Sokrates ist ein Individuum der Gattung Mensch“ (siehe hierzu auch: Semiotischer Irrtum).

Da sich diese beiden Bedeutungen auf voneinander verschiedene Dinge beziehen, handelt es sich wiederum um eine Äquivokation des Mittelbegriffes und damit auch wieder um den Fehler des mehrdeutigen Mittelbegriffes.

Prinzipiell fällt es umso leichter, einen solchen Mehrdeutigkeitsfehler zu begehen, je komplexer, abstrakter, unschärfer – und womöglich sogar widersprüchlicher – ein Begriff im jeweiligen Zusammenhang definiert ist (schwach definierte Begriffe).

Weitere Beispiele

„Wahrheit“

Ein gutes und erstaunlich komplexes Beispiel für einen abstrakten Begriff, der sich auf ein mehrdeutiges Konzept bezieht, ist das unscheinbare Wort „Wahrheit“, einschließlich darauf aufbauende Begriffe wie „richtig“/„falsch“, „Fakt“, „Lüge“, u.s.w. Je nach Kontext können diese deutlich unterschiedliche – und nicht unbedingt miteinander kompatible – Bedeutungen haben:

  • Korrespondenztheorie: Im klassischen epistemologischen Sinn versteht man eine Aussage als wahr, wenn sie mit der Realität übereinstimmt (korrespondiert). Wenn man also sagt: „der Himmel ist blau“ und der Himmel ist in der Realität tatsächlich blau, dann ist die Aussage wahr. Dies dürfte auch die Bedeutung sein, in der die meisten diesen Begriff in der Alltagssprache verstehen.
  • Kohärenztheorie: Einen anderen Ansatz findet man z.B. in der Mathematik. Dort wird eine Aussage als wahr angesehen, wenn sie sich widerspruchsfrei in das etablierte System von gültigen Aussagen einfügen lässt. Dies kann zu Konflikten führen, in Bereichen, in denen auch eine Korrespondenz mit der Realität wichtig ist, etwa in der Physik. Allerdings sind Abweichungen zwischen der (mathematischen) Theorie und der (beobachteten) Realität eben auch Situationen, in denen oft wichtige wissenschaftliche Fortschritte gemacht wurden.
  • Postmoderner Ansatz: Einen ganz anderen Ansatz findet man häufig in den Gesellschaftswissenschaften, vor allem in Feldern, die stark vom Postmodernismus geprägt wurden. „Wahrheit“ wird hier als das gesehen, was durch gesellschaftliche Übereinkunft als „wahr“ angesehen wird. Damit können widersprüchliche „Wahrheiten“ in verschiedenen Gesellschaften gleichbedeutend „wahr“ sein. Dieser Ansatz hilft vor allem, soziale Realitäten besser zu erklären, etwa auf welcher Straßenseite man fahren sollte, welches Regierungssystem das „beste“ ist, oder auch welche Geschlechterrollen in der Gesellschaft akzeptiert sind.

Es ist nicht schwer zu sehen, dass gerade der letztere Ansatz bei Aussagen, welche sich nicht auf soziale Festlegungsleistungen beziehen, sondern auf eine externe Realität, zu Problemen führen kann. Es ist gleich, wie sehr eine Gesellschaft durch soziale Übereinkunft beschließt, dass die Erde eine Scheibe ist, wenn es eine externe Realität gibt, nach der dies eben nicht der Fall ist.

Wirklich problematisch wird es aber, wenn diese Definitionen miteinander vermengt werden – wenn es also eine Äquivokation der Begriffsbedeutungen gibt. Dies tritt zum Beispiel ein, wenn man eine soziale Wahrheit, die innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsgruppe als „wahr“ angesehen wird, auch als „Wahrheit“ im Sinne von „Korrespondenz mit der Wirklichkeit“ dargestellt wird (Alternative Fakten). Oder wenn man daraus, dass es mehrere soziale „Wahrheiten“ geben kann, welche gleichberechtigt nebeneinander existieren, auch geschlossen wird, dass eine Wahrheit, die auf einer (nachgewiesenen) Korrespondenz einer Aussage mit der Realität beruht, gleichwertig oder ununterscheidbar sei, mit einer sozial vereinbarten „Wahrheit“ (Kontinuumsirrtum).

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Siehe auch

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