Naturalistischer Fehlschluss
Eine Form von unzulässiger Verallgemeinerung, bei dem von einem ist-Zustand auf einen soll-Zustand geschlossen wird.
Kriege sind Teil der Menschheitsgeschichte, solange wir zurückblicken können.
Daher ist der Krieg ein guter und wünschenswerter Zustand.
Auch wenn in der Tat die Menschheitsgeschichte immer schon von Kriegen geprägt war, kann man daraus nicht schließen, dass dies ein in irgendeiner Form ein wünschenswerter Zustand sei.
Andere Namen
- Sein/sollen-Fehler
- Is/ought fallacy (IOF)
Beschreibung
Der Names dieses Fehlschlusses kommt ursprünglich aus der Ethik bzw. Moralphilosophie, wo auf diese Weise moralische Regeln bezeichnet werden, die keine weitere Begründung haben, als dass der gegenwärtige Zustand auch der „natürliche“ und daher wünschenswert sei. In dieser Form ähnelt dies auch tatsächlich dem Naturargument.
Der Unterschied ist, dass sich der naturalistische Fehlschluss auch auf Situationen beziehen kann, die nichts mit der Natur oder einem irgendwie gearteten Naturzustand zu tun haben – wie etwa in dem Beispiel oben. In diesem Zusammenhang hier beschränkt sich der Denkfehler auch nicht alleine auf moralische Aussagen, sondern kann sich auf beliebige Themenbereiche beziehen.
Im Kern ist der naturalistische Fehlschluss eine Form von konservativem Traditionsargument, bei dem Veränderung aufgrund eines (oft fehlerhaften) moralischen Argumentes abgelehnt wird. Als solches kann sich dieser Denk- und Argumentationsfehler auch auf Themen beziehen, die zumindest oberflächlich wenig mit Moralphilosophie zu tun haben (siehe Beispiele unten).
Einschränkungen
Ähnlich wie beim Traditionsargument gilt es auch hier, zu prüfen, ob der gegenwärtige Zustand vielleicht tatsächlich vorteilhafter ist als mögliche Alternativen. Oft gibt es ja gute Gründe, warum ein Zustand so ist, wie er ist. Ebenso kann Veränderung an sich negative Aspekte mit sich bringen, die in diese Kalkulation einfließen sollten.
Letzten Endes ist stets eine Abwägung nötig, bei der Vor und Nachteile aller möglichen Situationen in Betracht gezogen werden müssen. Weder das Alte, noch das Neue ist automatisch die besseren Option.
Umgekehrter naturalistischer Fehlschluss
Auch die Umkehrung des obigen Schlusses, also das Schließen auf eine deskriptive Aussage (der ist-Zustand) aus einer präskriptiven (der soll-Zustand) kann ein Denkfehler sein.
Ein gutes Beispiel hierfür wäre der Schluss von einem Gesetzestext auf die tatsächliche Situation
Das Grundgesetz schreibt vor: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Also sind Männer und Frauen gleichberechtigt.
Tatsächlich gibt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG, Art. 3) hier ein Ziel vor, auf das hingearbeitet werden soll. Gäbe es bereits vollständige Gleichberechtigung, wäre dieses Gesetz in der Tat unnötig.
Beispiele
Rechtschreibreform
Seit über hundert Jahren schreiben wir „daß“ mit scharfem S
Deswegen ist dies die einzige richtige Schreibweise.
Anlässlich der Rechtschreibreform von 1996 wurde so oder so ähnlich gegen die Schreibweise von „dass“ mit Doppel-S argumentiert. Im Extremfall wurde sogar behauptet, dass durch diese (und weitere) Änderungen der Rechtschreibregeln ältere Texte „unlesbar“ würden (was natürlich nicht eingetreten ist).
Während es sicher gute Argumente für oder wider einer Änderung der Rechtschreibregeln gibt, ist alleine ein „das haben wir schon immer so gemacht“ keine gute Argumentation.
Siehe auch
Weitere Informationen
- Naturalistischer Fehlschluss auf Wikipedia
- Naturalistic Fallacy auf Logically Fallacious (Englisch)