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mehrdeutigkeit:turm-und-wall-fehler [18.04.23, 09:33:38] – [Namensherkunft] sascha | mehrdeutigkeit:turm-und-wall-fehler [05.11.23, 22:22:49] – [Siehe auch] sascha |
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====== Turm‐und‐Wall-Fehler ====== | ====== Turm‐und‐Wall Fehler ====== |
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Eine Form von Denk- oder Argumentationsfehler, bei dem Konzepte oder Positionen (absichtlich oder unabsichtlich) aufgrund von unscharfen Definitionen sinnverändernd erweitert, verengt oder ausgetauscht werden. | Eine Form von Denk- oder Argumentationsfehler, bei dem Konzepte oder Positionen (absichtlich oder unabsichtlich) aufgrund von unscharfen Definitionen sinnverändernd erweitert, verengt oder ausgetauscht werden. |
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Dieser Fehler wird häufig als eine Art von [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:hauptseite|unfairer Diskussionstaktik]] ausgenutzt, etwa wie in dem folgenden Beispiel: | Dieser Fehler wird häufig als eine Art von [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:hauptseite|unfairer Diskussionstaktik]] ausgenutzt, etwa wie in dem folgenden Beispiel: |
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> A: //Die// Homöopathie //hat keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus.// | > A: //Die// Homöopathie //hat keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus.// |
> B: <u questionable "Turm-und-Wall–Fehler">//Das kann überhaupt nicht sein, die// Naturheilkunde //ist eine anerkannte Disziplin der Medizin, die viele Erfolge vorzuweisen hat.//</u> | > B: <u questionable "Turm-und-Wall Fehler">//Das kann überhaupt nicht sein, die// Naturheilkunde //ist eine anerkannte Disziplin der Medizin, die viele Erfolge vorzuweisen hat.//</u> |
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Während man unter dem Begriff „[[wpde>Naturheilkunde|Naturheilkunde]]“ tatsächlich eine Reihe von anerkannten medizinischen Behandlungsmethoden versteht, gehört die [[wpde>Homöopathie|Homöopathie]] gerade eben //nicht// dazu, da für diese in der Tat keine über den [[wpde>Placeboeffekt|Placeboeffekt]] hinausgehenden Wirkung nachweisbar ist. | Der Begriff „[[wpde>Naturheilkunde|Naturheilkunde]]“ wird als Oberbegriff für eine eine Reihe von verschiedenen [[wpde>Alternativmedizin|alternativmedizinischen]] Methoden gebraucht. Dazu gehören in der Tat auch verschiedene medizinisch //anerkannte// Behandlungsmethoden (z.B. [[wpde>Hydrotherapie|Hydrotherapie]]), aber eben auch einige, für die ein Nutzen über einen reinen [[wpde>Placeboeffekt|Placeboeffekt]] hinaus, nicht nachweisbar ist. Zur letzteren Kategorie gehört eben die [[wpde>Homöopathie|Homöopathie]]. |
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Eine solche Verwechslungsstrategie kann Erfolg haben, wenn die genauen Abgrenzungen zwischen den verwendeten Begriffen unklar oder unbekannt sind. | Dieses Beispiel zeigt eine typische Verwechslung der beiden Kategorien – wobei unklar ist, ob B dies als rhetorische Ablenkungsstrategie einsetzt, oder ob hier einfach die Bedeutungen der Begriffe verwechselt werden. |
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===== Andere Namen ===== | ===== Andere Namen ===== |
===== Beschreibung ===== | ===== Beschreibung ===== |
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Das wesentliche Merkmal dieses Denkfehlers ist es, dass zwei Positionen als „identisch“ verstanden werden, die sich eigentlich in wichtigen Punkten unterscheiden. Die Anwendung als rhetorische [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:verwirrungstaktiken:hauptseite|Verwirrungstaktik]] besteht im Ausnutzen einer solchen Verwechslung, indem man einen Angriff auf die schwächere „Wall“-Position durch eine Verteidigung aus der stärkeren „Turm“-Position kontert. | Das wesentliche Merkmal dieses Denkfehlers ist es, dass zwei Positionen als „identisch“ verstanden werden, die sich eigentlich in wichtigen Punkten unterscheiden. Die Anwendung als rhetorische [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:verwirrungstaktiken:hauptseite|Verwirrungstaktik]] besteht im Ausnutzen einer solchen Verwechslung, indem man einen Angriff auf die schwächere „Wall“-Position durch eine Verteidigung aus der stärkeren „Turm“-Position kontert. |
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Aus Sicht des Gegners entspricht eine solche Diskussionsstrategie einem [[rhetorik:scheinargumente:strohmann_argument:hauptseite|Strohmann-Argument]], da dessen Position falsch wiedergegeben wird und er aus einer Position angegriffen wird, die er überhaupt nicht angegriffen hat. | Aus Sicht des Gegners entspricht eine solche Diskussionsstrategie einem [[rhetorik:scheinargumente:strohmann_argument:hauptseite|Strohmann-Argument]], da dessen Position falsch wiedergegeben wird und er aus einer Position angegriffen wird, die er überhaupt nicht angegriffen hat. |
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Die Argumentation hat auch Aspekte einer [[begriffe:aequivokation:hauptseite|Äquivokation]], da hier zwei eigentlich verschiedene Positionen gleich benannt werden. | Ein wichtiger Aspekt dieser Art von Verwechslung ist, dass sie eine Form von [[begriffe:aequivokation:hauptseite|Äquivokation]] darstellt, da hier zwei eigentlich verschiedene Positionen gleich benannt werden. Wird diese Mehrdeutigkeit sogar absichtlich eingeführt, um den Diskussionsgegner oder ein Publikum zu verwirren, handelt es sich um eine [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:hauptseite|unfaire Diskussionstaktik]] (<span maniculus "siehe:">[[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:umdefinierung|Umdefinierung]]</span>). |
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==== Gegenposition ==== | ==== Gegenposition ==== |
- Abwechselnder Gebrauch von männlichen und weiblichen Formen. | - Abwechselnder Gebrauch von männlichen und weiblichen Formen. |
- Binnenkennzeichnungen, u.a. durch Asterisk („Lehrer*innen“), Doppelpunkt („Lehrer:innen“), Binnen-I („LehrerInnen“) oder Trema („Lehrerïnnen“). | - Binnenkennzeichnungen, u.a. durch Asterisk („Lehrer*innen“), Doppelpunkt („Lehrer:innen“), Binnen-I („LehrerInnen“) oder Trema („Lehrerïnnen“). |
- Verschiedene andere Formen, die nur selten oder in spezifischen Situationen gebraucht werden, wie z.B. „SuS“ als Abkürzung von „Schülerinnen und Schüler“, Diminutivformen („das Bäckerchen“, „s’Bäckerl“) u.s.w. | - Diminutivformen („das Bäckerchen“, „s’Bäckerli“, u.ä.) |
| - Verschiedene andere Formen, die nur selten oder in spezifischen Situationen gebraucht werden, wie z.B. „SuS“ als Abkürzung von „Schülerinnen und Schüler“. |
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Die Form mit Asterisk (Sternchen) wird dabei zwar von einem signifikanten Teil der Bevölkerung abgelehnt, aber von den Befürworterinnen und Befürwortern dafür umso vehementer verteidigt. Dabei wird oft der Eindruck erweckt, wer sich gegen diese spezifische Form des „Genderns“ ausspricht, sei allgemein gegen geschlechtergerechte Sprache. | Die Form mit Asterisk (Sternchen) wird dabei zwar von einem signifikanten Teil der Bevölkerung abgelehnt, aber von den Befürworterinnen und Befürwortern dafür umso vehementer verteidigt. Dabei wird oft der Eindruck erweckt, wer sich gegen diese spezifische Form des „Genderns“ ausspricht, sei allgemein gegen geschlechtergerechte Sprache. |
In diesem Fall entspräche „geschlechtergerechte Sprache“ dem „Turm“, der eine Position repräsentiert, die leicht zu verteidigen ist, und die auch breite Unterstützung geniest, während die „Sternchen-Schreibweise“ dem Wall entspricht, von welchem in einer Diskussion schnell abgelenkt wird, um von der leichter zu verteidigenden Position aus zu argumentieren. | In diesem Fall entspräche „geschlechtergerechte Sprache“ dem „Turm“, der eine Position repräsentiert, die leicht zu verteidigen ist, und die auch breite Unterstützung geniest, während die „Sternchen-Schreibweise“ dem Wall entspricht, von welchem in einer Diskussion schnell abgelenkt wird, um von der leichter zu verteidigenden Position aus zu argumentieren. |
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Maßgeblich dafür, dies als eine „[[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:hauptseite|unfaire Diskussionstaktik]]“ zu bewerten, ist dabei aber, dass diese beiden Positionen als //identisch// vorgegeben werden, dass also so getan wird, als ob jeder, der sich gegen das sog. „Gender-Sternchen“ ausspricht, auch gegen Gendern //an sich// sei. Dies ist aber in den seltensten Fällen so: sehr viele, die Binnenkennzeichnungen in den Wörtern ablehnen, haben keine Probleme mit Doppelnennungen oder den neutralen Ausdrücken, wo diese sinnvoll eingesetzt werden. Auch der Initialausdruck „SuS“ ist z.B. in der Lehrerschaft längst akzeptiert und weit verbreitet. | Dies wird zu einer „[[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:hauptseite|unfairen Diskussionstaktik]]“, wenn diese beiden Positionen als //identisch// vorgegeben werden, wenn also so getan wird, als ob jeder, der sich gegen das sog. „Gender-Sternchen“ ausspricht, auch gegen Gendern //an sich// sei. Dies ist aber in den seltensten Fällen so: sehr viele, die Binnenkennzeichnungen in den Wörtern ablehnen, haben keine Probleme mit Doppelnennungen oder den neutralen Ausdrücken, wo diese sinnvoll eingesetzt werden. Auch der Initialausdruck „SuS“ ist z.B. in der Lehrerschaft längst akzeptiert und weit verbreitet. |
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| Auch hier wird diese Strategie wiederum dadurch noch leichter gemacht, dass es auch Gegner des „Genderns“ gibt, welche die gleiche Verwechslungsstrategie versuchen, und jede Form von geschlechtsneutraler Sprache mit dem „Gender-Sternchen“ gleichsetzen. So werden etwa Umfrageergebnisse, welche zeigen, dass „Gender-Sternchen“ weitestgehend abgelehnt werden, so interpretiert, als sei der Großteil der Bevölkerung gegen das „Gendern“ an sich. |
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**Hinweis:** Diese Strategie wird auch noch dadurch leichter gemacht, dass es auch Gegner des „Genderns“ gibt, welche die gleiche Verwechslungsstrategie versuchen, und jede Form von geschlechtsneutraler Sprache mit dem „Gender-Sternchen“ gleichsetzen. | **In eigener Sache:** die auf dieser Site angewandten Regeln zur geschlechterneutralen Sprache werden in den <a wikilink1 [href=/ueber/faq/index.html]><abbr "Häufig gestellte Fragen">FAQ</abbr>s</a> bzw. im [[style>inhalt/geschlechtsneutrale_sprache|Style Guide]] erklärt. |
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<aside info> | Kurz zusammengefasst: Bevorzugt werden //geschlechtsneutrale// Begriffe (z.B. „Leserschaft“). Wo diese nicht existieren, schwer lesbar wären, oder im jeweiligen Kontext keinen Sinn machen, werden //Doppelnennungen// bevorzugt (z.B.: „Leserinnen und Leser“). Nicht gegendert werden Bezeichner, die sich auf rein abstrakte Rollen beziehen. |
**Hinweis 2:** die auf dieser Site angewandten Regeln zur geschlechterneutralen Sprache werden in den <a wikilink1 [href=/ueber/faq/index.html]><abbr "Häufig gestellte Fragen">FAQ</abbr>s</a> bzw. im [[style>inhalt/geschlechtsneutrale_sprache|Style Guide]] erklärt. Kurz gesagt: falls ein geschlechtsneutraler Begriff für den jeweiligen Kontext relevant ist und dieser nicht das Verständnis unnötig erschwert, wird bevorzugt mittels der unter (1) und (2) gelisteten Formen gegendert. | |
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* [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:rosinenpicken|Rosinenpicken]] | * [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:rosinenpicken|Rosinenpicken]] |
* [[rhetorik:scheinargumente:strohmann_argument/hauptseite|Strohmann-Argument]] | * [[rhetorik:scheinargumente:strohmann_argument/hauptseite|Strohmann-Argument]] |
| * [[rhetorik:unfaire_diskussionstaktiken:umdefinierung|Umdefinierung]] |
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==== Lernmaterialien ==== | ==== Lernmaterialien ==== |