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Survivorship Bias

(Engl., frei übersetzt: „Über­repräsentation von Über­lebenden“) ist ein Er­heb­ungs­­fehler, bei dem über­pro­por­tional (im Extrem­fall sogar aus­schließ­lich) die Erfolgs­fälle be­trachtet und Miss­erfolge ignoriert werden.

Der Begriff etablierte sich aufgrund der Erfahrungen britischer Ingenieure im 2. Weltkrieg, welche die Panzer­ung von Flug­zeugen verbessern wollten und zunächst die Stellen verstärkten, welche bei zurück­kehrenden Maschinen besonders häufig Einschusslöcher vorwiesen.

Als sich dadurch die Rückkehrquote nicht verbesserte, erkannte man, dass es eben nur Flugzeuge waren, die nicht an kritischen Stellen (z.B. den Motoren) ge­troffen wurden, die überhaupt zurückkehren konnten. Sinn­voller­weise sollten also die Stellen besser geschützt werden, die bei den nicht heim­kehr­enden Fliegern ge­troffen wurden, also genau den Stellen, die bei den Heimkehrern nicht häufig getroffen waren.

Der englische Begriff spielt darauf an, dass in die ursprüngliche Analyse fälsch­licher­weise nur die erfolgreich zurück­gekehrten Flug­zeuge (die „Über­lebenden“) eingeflossen waren.

Andere Namen

  • Überlebenden-Verzerrung

Beschreibung

Ein Survivorship Bias ist eine Form von statistischer Verzerrung, die dann auftritt, wenn ausschließlich oder vorrangig Fälle betrachtet werden, die bereits von vornherein bewusst oder unbewusst nach dem Kriterium, das analysiert werden soll, ausgewählt wurden.

Beispiele

Es gibt zahlreiche Situationen, in denen ein Survivorship Bias oder ein ähnlicher Auswahleffekt eine Rolle spielt, hier nur einige Beispiele:

Überrepräsentation von Stars

In der öffentlichen Wahrnehmung sind erfolgreiche Stars, etwa in den Bereichen Sport oder Kultur (Musiker, Schauspieler, u.s.w.), deutlich präsenter als die erfolglosen. Dies erweckt den Eindruck, es sei „einfach“ in diesen Bereichen Berühmtheit zu erlangen. Nicht beachtet wird, dass die weitaus meisten, die sich an einer Karriere in diesen Feldern versuchen, davon nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können und Amateure bleiben.

Ähnliches gilt für erfolgreiche Unternehmer oder Startup-Firmen, die oft in kurzer Zeit ungeheure Gewinne erwirtschaftet haben oder zumindest sehr erfolgreich Investitionen einsammeln konnten. Diese werden ähnlich wie Rockstars präsentiert und erwecken den Eindruck, man könne auf dem gleichen Weg leicht zu ähnlichen Reichtümern kommen. Dabei wird übersehen, dass ein großer Teil der Unter­nehmen nach kurzer Zeit wieder eingestellt wird, da sie keinen hinreichenden Ertrag bringen. Dies wird dagegen selten in der Öffentlich­keit thematisiert.

Lebenserwartung

Auf den ersten Blick erscheint es widersinnig, dass die Lebens­erwartung von 90-Jährigen höher ist als die von Neu­geborenen. Tat­sächlich kann ein 90-Jähriger aber nicht mehr jünger als eben 90 sterben (sonst könnte er ja nicht Teil der Gruppe der 90-Jährigen sein), während für den Neu­geborenen noch alle Möglich­keiten offen stehen, zu jedem beliebigen Zeit­punkt ums Leben zu kommen.

Dieser Effekt zeigt sich auch in der Lebens­erwartung von Berufs­gruppen: wenn für den Beruf eine lange Aus­bildungs­zeit nötig ist, steigt auch die Lebens­erwartung der Berufsangehörigen, da alle, die vor oder während der Ausbildungszeit gestorben sind, nicht mehr in den Beruf aufgenommen werden. Kein Wunder also, dass die Lebens­erwartungen von z.B. Fachärzten, Dirigenten oder Universitäts­professoren höher liegt, als der Durch­schnitt (daneben dürften natürlich auch andere Faktoren eine Rolle spielen, nicht zuletzt der höhere Ver­dienst, durch den man sich eine gesündere Lebens­weise und eine bessere medizinische Ver­sorgung leisten kann).

Kundenzufriedenheit

Bei Kundenumfragen werden bestehende Kunden gebeten, ihre Zufriedenheit mit den Leistungen des Unter­nehmens zu bewerten. Dabei werden solche, die über eine längere Zeit mit dem Unternehmen in Verbindung sind – vermeintlich, weil sie mit der Leistung zufrieden sind – mit höherer Wahrscheinlichkeit erfasst als solche, die unzufrieden sind und daher keine weiteren Bestellungen mehr abgeben.

Selbst bei Beschwerden, also (negativem) Feedback, das aktiv von den Kunden abgegeben wird, ist die Wahr­schein­lichkeit groß, dass Kunden die sehr unzufrieden sind, einfach abwandern und nur solche, die ansonsten zufrieden sind (bis auf einen oder wenige Punkte), sich die Mühe machen, eine Beschwerde zu formulieren.

„Höhlenmenschen“

Wir denken bei frühen prähistorischen Menschen in erster Linie an Höhlenbewohner, da fast alle Zeugnisse dieser Zeit in Höhlen gefunden wurden. Während es wahrscheinlich ist, dass die Menschen dieser Epoche Höhlen nutzten, wo diese verfügbar waren (als Wohn- oder Kultstätten), ist es ebenso wahrscheinlich, dass es bereits einfache Gebäude aus Holz, Zelte, etc. gab, welche als Behausungen dienten – nur dass diese längst verrottet und damit nicht mehr auswertbar sind, während Zeugnisse menschlicher Aktivität in den ge­schützt­eren und dauer­hafteren Höhlen bis in unsere Zeit „überlebt“ haben.

Votivgaben nur von Überlebenden

Obwohl das namensgebende Beispiel aus der Neuzeit stammt, war der Effekt bereits in der Antike bekannt, wie ein Zitat aus Ciceros „<span :la>De natura deorum</i>“ (III, 89) zeigt:

Darauf hingewiesen, dass die zahlreiche Votivtafeln, die davon zeugen, dass Menschen dank eines Gelübdes [an die Götter] einer Lebensgefahr auf hoher See entronnen sind, doch Beweise dafür seien, dass die Götter in das Leben der Menschen eingriffen, antwortet der Protagonist:

Ita fit, inquit, illi enim nusquam picti sunt, qui naufragia fecerunt in marique perierunt.
(Das ist so, sagt er, weil es keine Tafeln derer gibt, die Schiffbruch erlitten haben und auf hoher See umgekommen sind)

Umgekehrter Survivorship Bias

Es sind auch Situationen denkbar, in denen ausschließlich oder vorrangig Misserfolge betrachtet werden und dadurch ein falsches Bild entsteht.

So könnte z.B. ein Mitarbeiter in der Reklamationsabteilung eines Produktherstellers leicht den Eindruck be­kommen, die Produkte der eigenen Firma seien von aus­gesprochen schlechter Qualität und seien regelmäßig schadhaft – die (hoffentlich viel häufigeren) einwandfrei funktionierenden Exemplare bekommt man in dieser Position ja eher selten zu sehen.

Lebenserwartung von Musikern

Eine „Studie“, die vor einigen Jahren die Runde machte, schlüsselte die Lebens­erwartung (gemessen am Alter beim Tod) von Musikern nach Genres auf. Diese kam zu dem Schluss, dass Musiker aus bestimmten Genres, wie Blues, Jazz oder Folk in einem Alter verstarben, der nahe dem des Be­völker­ungs­durch­schnittes liegt, während Musiker in anderen erstaunlich früh versterben – für Rapper lag das Durch­schnitts­alter beim Tod sogar deutlich unter 30 Jahren!

Auch hier spielen natürlich wieder andere Faktoren mit – z.B. muss man, um als Jazz-Musiker Anerkennung zu finden, eine viel längere Zeit musizierend verbringen, während bei Genres wie z.B. Gangster-Rap auch eine szenebedingte Affinität zu einem gefährlichen Lebensstil „dazu gehört“. Dennoch ist der doch recht gewaltige Unterschied alleine mit solchen Faktoren nicht zu erklären.

Anders sieht es aus, wenn man bedenkt, dass die „alten“ Musik­genres inzwischen ja schon eine längere Zeit existieren und es daher genügend Beispiele von Musikern gibt, die nach einem langen Leben ver­storben sind. Bei den „jungen“ Genres ist dies kaum möglich: Die meisten Musiker dieser Genres leben einfach noch und wurden daher nicht in die Statistik aufgenommen.

Es handelt sich also um eine Art von „umgekehrtem Survivorship Bias“, da in der Statistik nur solche Musiker aufgenommen wurden, die jung verstorben sind, währen die „Überlebenden“ erst gar nicht erfasst wurden.

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