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Keynes’scher Schönheitswettbewerb

Ein vom Ökonomen John Maynard Keynes entwickeltes Gedankenexperiment, welches ein häufiges Problem von Entscheidungsprozessen aufzeigen soll, wenn diese Entscheidungen aufgrund von reflexiven sozialen Erwartungen getroffen werden.

Dieses lässt sich vereinfacht etwa so formulieren:

Bei einem Schönheitswettbewerb erhalten auch Juroren einen Preis, wenn sie für die Kandidatin gestimmt haben, die am Ende tatsächlich den Wettbewerb gewinnt.

Mit dieser Regel haben die Juroren nun einen Anreiz, nicht für die Kandidatin zu stimmen, welche sie selbst für die schönste halten, sondern für die, von der sie denken, dass sie die meisten Stimmen erhalten wird. Anstelle um die Schönheit der Kandidatinnen geht es also nun um die Einschätzung des Verhaltens der anderen Juroren.

Auf einer weiteren Ebene muss man nun aber auch in Betracht ziehen, dass die anderen Juroren wahrscheinlich dieselbe Überlegungen anstellen und ihr Wahlverhalten daran ausrichten, was sie wiederum vermuten, die anderen tun werden, u.s.w. (unendliche Regression).

Andere Namen

  • Herdentrieb
  • Erwartungserwartung
  • Keynesian beauty contest

Beschreibung

Ähnliche Regeln gab es anscheinend tatsächlich in Schönheitswettbewerben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wichtiger ist diese Metapher aber für andere Situationen, in denen die Einschätzung der Position anderer wichtiger ist, als die des eigentlichen Subjektes.

Ein Standardbeispiel hierfür ist der Wertpapierhandel: Sicher gibt es „objektive“ Kriterien für die Bewertung von Aktien, wie etwa der Unternehmensgewinn, bzw. dessen Verhältnis zur Marktkapitalisierung – viel wichtiger, wenigstens für die kurzfristige Spekulation, ist jedoch die Einschätzung des Verhaltens der anderen Marktteilnehmer. Wenn diese selbst wiederum ihre Entscheidungen aufgrund der eigenen Einschätzung des Verhaltens Anderer treffen, hat die kurzfristige Kursentwicklung von Aktien mehr mit solchen sozialen Effekten zu tun, als mit der tatsächlichen Unternehmenssituation. In der Folge kann dies zu sich selbst verstärkenden Kurseffekten führen, die sich dann zu Spekulationsblasen oder auch Börsencrashen aufschaukeln.

Weitere Beispiele

Schuhmode

Die Mode – oder spezifischer: Kleidermode – und deren Entwicklung ist ein komplexes Phänomen, das sich sicher nicht auf eine oder wenige einfache Regeln reduzieren lässt. Ein wichtiger Aspekt in der Entwicklung von neuen Modetrends ist aber sicher auch die Erwartung dessen, was von anderen als modisch wahrgenommen werden wird. Es handelt sich somit um ein Beispiel für einen Mechanismus, der auf reflexiven sozialen Erwartungen beruht.

Deutlich wird dies vor allem, wenn sich eine solche Erwartungseinschätzung als falsch herausstellt. Eine schöne Anekdote hierfür ist die Ausstattung für den Film Idiocracy aus dem Jahr 2006. Das zugrunde liegende Thema dieses Filmes ist, dass die Menschheit in der Zukunft verdummen wird, bis zu dem Punkt, an dem eine ausdrücklich „durchschnittlich intelligente“ Person unserer Zeit, als super-intelligent wahrgenommen werden würde.

Als eines der Ausstattungsdetails tragen die Menschen in der Zukunft Kunststoffschuhe der Marke Crocs. Diese kamen gerade um die Zeit des Produktionsbegins des Filmes auf den Markt und wurden von den Produzenten als so unästhetisch angesehen, dass sicher nur „Idioten“ sie tragen würden.

Unerwarteterweise wurden „Crocs“ aber zu einem Modehit, der weite Verbreitung fand. Die erwartete modische Wahrnehmung als „Idiotenschuhe“ kam also nicht zustande und erscheint uns heute – aus der Rückschauperspektive – auch eher widersinnig.

Hinweis: Eine weitere Prämisse des Filmes, nämlich dass es eine Art von genetischer Bevorzugung von Menschen mit niedrigerer Intelligenz gäbe, wodurch diese mehr Nachkommen hätten und daher klügere Personen aus der Bevölkerung verdrängten, beruht auf einem grundlegend falschen Verständnis von Genetik und Intelligenz, für welches es keine wissenschaftliche Grundlage gibt – aber unterhaltsam ist es natürlich allemal.

Siehe auch

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