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Cargo-Kult

Bezeichnet eine ritualisierte Handlungsweise, welche andere Handlungen der äußeren Form nach imitiert, die jedoch ohne Verständnis für deren inneren Funktions- und Bedeutungsweisen ausgeführt wird und daher auch deren eigentliche Funktionen nicht erfüllen kann.

Herkunft des Begriffes

Als „Cargo-Kult“ (Frachtgut-Kult) bezeichnet man eine Reihe von Kult-ähnlichen Riten, die bei verschiedenen isoliert lebenden indigenen Völkern, v.a. in Melanesien, nach ersten Kontakten mit westlichen Besuchern aufkamen. Letztere brachten oft Nahrung, Medizin und andere Güter mit sich – entweder als Geschenke oder zur Entlohung von einheimischen Arbeitern. Als die Besucher – und damit die Güter – irgendwann ausblieben, wurden von den Einheimischen Simulacra von Flughäfen, Hafenanlagen oder Funktürmen errichtet, um dann rituell erscheinende Handlungen in deren Rahmen nachzuahmen – etwa die von Bodenlotsen (Marshallern) am Flughafen.

Dadurch, dass diese aber nur die äußere Erscheinung, nicht aber die eigentlichen Funktionen der Anlagen und Handlungen nachgeahmt wurden, hatten diese Handlungen erwartungsgemäß keinen Erfolg darin, wieder Frachtgüter zu den Einheimischen zu bringen.

Verwendung

Die Bedeutungsbereiche der Begriffe „Cargo-Kult“ und „Simulacrum“ überschneiden sich deutlich. Am ehesten lässt sich noch die Unterscheidung treffen, dass ersterer sich vorranging auf Verhaltens- oder Handlungsweisen bezieht, während Simulacra eher Dinge oder reifizierte („verdinglichte“) Ideen und Konzepte bezeichnet.

Hinweis: Der Begriff „Cargo-Kult“ kann rassistische Konnotationen haben, wenn die Implikation eine Rolle spielt, dass den oben genannten Völkern das Verständnis für die Komplexität der Technologien fehlt, die sie zu imitieren versuchten. Alleine schon deswegen sollte man im Zweifelsfall eher „Simulakrum“ als neutraleren Begriff wählen.

Für Überheblichkeit gegenüber vermeintlich „primitiven“ Völkern gibt es aber keinen Anlass, denn ähnliche Phänomene sind auch in der westlichen Welt weit verbreitet. Insbesondere hat sich der Begriff durchgesetzt, um das nachfolgende Phänomen zu beschreiben:

Cargo-Kult-Wissenschaft

Der Begriff „Cargo-Kult Wissenschaft“ bezeichnet eine Imitation von wissenschaftlichem Arbeiten, welche sich damit begnügt, die äußere Form von Wissenschaft nachzuahmen – etwa um sich dadurch deren Autorität und Reputation anzueignen – ohne deren Methoden im Kern zu verstehen oder zu respektieren.

Der wichtigste Aspekt hierbei ist, dass wissenschaftliches Arbeiten zwar der Form nach stattfindet, aber nicht mit dem Ziel geschieht, Erkenntnisgewinn zu erzielen, sondern vielmehr, um die eigene Reputation zu steigern und/oder bereits zuvor festgelegte Positionen zu bestätigen.

Dies kann zum Beispiel geschehen, indem Studien zum Zweck angefertigt werden, den politischen oder gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen. Diese haben gewöhnlich ein Mindestmaß an „wissenschaftlicher“ Glaubwürdigkeit, indem sie etwa in Schriftsatz und Prosa die Form von akademischen Publikationen nachahmen, mit zahlreichen Fußnoten versehen sind, in der Literaturliste oder Zitaten auf renommierte Wissenschaftler und Studien verweisen und nicht zuletzt mit komplizierten Statistiken aufwarten können. In manchen „Cargo-Kult”-Disziplinen werden sogar eigene Magazine veröffentlicht, welche ein internes Peer-Review Verfahren etabliert haben, um sich den Anschein einer ernsthaften wissenschaftlichen Disziplin zu geben. Man muss dann schon genau hinsehen, um zu erkennen, das es sich hier nicht um ein allgemein anerkanntes Fachgebiet handelt.

Es wäre ein leichtes, solches Handeln als ein Merkmal von Pseudowissenschaften wie Homöopathie oder Astrologie abzutun – wo sie auch tatsächlich prävalent sind – aber leider lassen sich Tendenzen zum „Cargo-Kult“ auch im etablierten Wissenschaftsbetrieb finden, wo sie dann meist sehr viel subtiler und von außen nicht mehr so leicht erkennbar auftreten.

Die Motivation, es mit dem wissenschaftlichen Ethos (Merton’sche Normen) nicht ganz so streng zu nehmen, kann alleine schon mit Goodharts Gesetz erklärt werden, wonach Messgrößen (etwa die Zahl der Publikationen als Maß für den Erfolg eines Wissenschaftlers) nicht mehr als Maße tauglich sind, wenn sie zu einem Ziel werden – etwa, weil die Beförderung oder die Mittelzuweisung davon abhängt. Wenn dadurch ein Anreiz besteht, Forschungsergebnisse überzuinterpretieren, falsch darzustellen oder auch schlicht zu fälschen, um damit das eigentliche Ziel, nämlich mehr und sensationellere Ergebnisse zu publizieren, zu erreichen, dann wird dies früher oder später auch geschehen.

All dies kann natürlich kein Argument sein, um Wissenschaftlern grundsätzlich unsauberes Arbeiten oder sogar unredliche Motive zu unterstellen, aber es kann als Erinnerung daran verstanden werden, sich nicht vom äußeren Anschein einer wissenschaftlichen Publikation blenden zu lassen (Autoritätsargument) und stattdessen die Methoden und Motivationen zu hinterfragen. Dies gilt auch und gerade dann, wenn eine wissenschaftliche Publikation die eigene, schon bestehende Meinung zu bestätigen scheint.

Siehe auch

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