Verschiedene systematische Methoden zur Entscheidungsfindung, wie sie vor allem von Piloten in Notfallsituationen eingesetzt werden (sollten), um auch unter Zeitdruck und in Stresssituationen zu einer bestmöglichen Lösung zu gelangen.
Die verschiedenen Methoden, die in Gebrauch sind, werden meist anhand der Abkürzungen unterschieden. Die wichtigsten sind:
FOR-DEC
Die FOR-DEC-Methode (auch: „FORDEC“) wurde von Lufthansa in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt1).
Die einzelnen Buchstaben des Kürzels stehen für:
Facts – Was ist die Situation?
Options – Welche Handlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?
Risks (& Benefits) – Welche Risiken (und Chancen) sind mit den Handlungsmöglichkeiten verbunden?
- – Pause, um zu überprüfen, ob die ersten Schritte wirklich vollständig durchgeführt wurden.
Decision – Aufgrund der vorliegenden Fakten, Möglichkeiten, Risiken und Chancen wird eine Entscheidung getroffen.
Execution – Die beschlossene Handlung wird ausgeführt.
Check – Überprüfung, ob die Handlung den erwarteten Erfolg hatte. Gegebenenfalls erneute Evaluation aufgrund von neuen Daten (zurück zum ersten Punkt).
PIOSEE
Das PIOSEE Model (Variation: „IPOSEE“) wurde von Boeing für die Pilotenausbildung entwickelt. Die Abkürzung steht für:
Problem – Analyse der Problemsituation.
Information – Sammlung aller relevanten Informationen.
Options – Auflisten von möglichen Handlungsoptionen.
Select – Auswahl einer Handlungsoption.
Execute – die für die Ausführung der gewählten Option nötigen Handlungen werden ausgeführt, oder an die verfügbaren Ausführenden delegiert.
Evaluate – Evaluation des Ergebnisses und gegebenenfalls erneute Analyse aufgrund von neuen Informationen.
T-DODAR
Das T-DODAR System wurde von British Airways entwickelt2). Die Abkürzung steht für:
Time – Analyse der zur Verfügung stehenden Zeit.
Diagnose – Diagnose des Problems.
Options – Welche Handlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?
Decision – Entscheidung für eine Handlungsmöglichkeit.
Assign – Aufgabenverteilung.
Review – Überprüfung des Erfolgs der Aktion, gegebenenfalls Neuevaluation.
Neben den oben genannten Methoden gibt es noch andere mit Namen wie DESIDE (Detect, Estimate, Set Safe Objectives, Identify, Do, Evaluate), GRADE (Gather Information, Review Information, Analyse Alternatives, Decide, Evaluate), SHOR oder 3P (Perceive, Process, Perform) und viele mehr.
Allen gemeinsam ist, dass auf eine systematische Herangehensweise und die Vermeidung von vorschnellen Schlüssen unter Zeitdruck Wert gelegt wird.
Weiter vereinfachend könnte man diese Methoden auch wie folgt zusammenfassen:
Problemanalyse – bevor irgendeine Entscheidung getroffen werden kann, muss das Problem möglichst vollständig und ohne Blick auf sich vielleicht schon scheinbar anbietende Lösungen analysiert werden.
Handlungsoptionen – die zur Verfügung stehenden Lösungsansätze für das zuvor analysierte Problem sollten möglichst vollständig aufgelistet werden. Auch hier sollte noch keine Vorauswahl zugunsten oder gegen eine bestimmte Option stattfinden.
Auswahl – aufgrund der Vor- und Nachteile aller möglichen Handlungsoptionen sollte die beste (oder zumindest die am wenigsten schlechte) ausgewählt werden. Idealerweise werden Zwischenziele (“milestones”) definiert, die auf dem Weg dahin zu erreichen sind.
Ausführung – die zur Erreichung des ersten Zwischenziels nötigen Handlungen werden ausgeführt, bzw. an die verfügbaren Ausführenden delegiert.
Neubewertung – wenn neue, für das Problem relevante Informationen oder neue Handlungsoptionen verfügbar werden, spätestens aber, wenn ein zuvor definiertes, oder zumindest impliziertes Zwischenziel erreicht wurde (oder im negativen Fall: wenn erkennbar wird, dass es nicht erreicht werden kann), sollte die Situation ereut evaluiert und gegebenenfalls die Handlungsauswahl angepasst werden.
Diese Methoden wurden spezifisch für eine sehr eng gefasste Klasse von Situation definiert, nämlich für das Verhalten von Piloten und Crew bei Notfällen im Luftverkehr. Daraus ergeben sich auch einige Aspekte, die in anderen Situationen nicht unbedingt relevant sind – zum Beispiel das Handeln unter extremem Zeitdruck und die möglicherweise katastrophalen Folgen, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden.
Wenn man dies in Betracht zieht, können solche Ansätze aber zumindest als Grundlage für eigene systematische Handlungsmethodiken diene. Auch wenn diese wahrscheinlich in manchen Punkten angepasst werden müssen.
Hier nur einige Beispiele:
In den typischen Situationen, für die diese Strategien entwickelt wurden (Notfälle in der Luftfahrt), ist Zeit meist der limitierende Faktor. In vielen anderen Situationen dürften andere Ressourcen wichtiger sein; meistens wohl das zur Verfügung stehende Geld, aber auch Arbeitskraft, Fähigkeiten, mögliches soziales oder politisches Kapital usw. können kritische Faktoren sein.
Wenn die Entscheidung nicht unter allzu großem Zeitdruck getroffen werden muss, kann es sich lohnen, zunächst die Punkte Problemanalyse und Auflistung der Handlungsoptionen sogar mehrfach zu wiederholen (“iterativer Prozess”), um die Chancen zu verbessern, dass wirklich alle Möglichkeiten gefunden und die bestmögliche Option ausgewählt werden kann.
Benutzt man eine solche Vorgehensweise, ist es wahrscheinlich sinnvoll, offensichtlich nicht erfolgversprechende Optionen in späteren Runden nicht weiter zu vertiefen (“shortlisting). In den ersten Runden dagegen sollten auch auch weit hergeholte oder sogar auf den ersten Blick unsinnige Ideen in Betracht gezogen werden (“brainstorming”).