Anekdotenargument
Anstatt einer systematischen (z.B. statistischen) Untersuchung einer Frage wird auf Anekdoten verwiesen, welche die jeweilige Position unterstützen.
A: Medikament X ist bei weniger Patienten wirksam als Medikament Y.
B: Meine Tante hat Medikament X genommen und ihr ging es danach besser.
So erfreulich das für Bs Tante ist, taugt es doch nicht als Gegenargument für die Aussage As, da er nicht behauptet, dass Medikament X nicht wenigstens bei einigen Patienten helfen würde – und noch weniger, dass es eine Genesung (die auch ohne Behandlung oder bei Verabreichung von völlig wirkungslosen Medikamenten eintreten kann) verhindern würde.
Andere Namen
- Anekdotischer Beweis / Anekdotische Evidenz
- Anecdata
Beschreibung
Für Aussagen, die nicht auf einem Allsatz beruhen (s.u.) gibt es prinzipiell Ausnahmen, die nicht gegen die Gültigkeit der Aussage sprechen.
Hinter einer solchen Aussage versteckt sich meist eine Unkenntnis der korrekten Beweisführung (siehe: Ignoratio elenchi ) oder eine (oft implizite) verfälschte Wiedergabe des ursprünglichen Argumentes (siehe: Strohmann-Argument).
Während anekdotische Beweise grundsätzlich keine gültigen Argumente zur Widerlegung von Aussagen sind (Ausnahme: bei Allsätzen), können sie aber einen Hinweis darauf geben, dass eine Aussage eine weitere Überprüfung wert sein könnte. Diese kann sich dann natürlich nicht auf Anekdoten verlassen, sondern muss systematisch erfolgen.
Gerechtfertigte Anwendung
Widerlegung von Allsätzen
Allsätze (Aussagen, die sich auf alle Elemente einer Gruppe beziehen) sind nur wahr, wenn es keine Gegenbeispiele gibt. Um eine Allaussage zu widerlegen ist eine Anekdote also völlig ausreichend:
A: Alle Schotten lieben Haggis.
B: Angus ist Schotte und er mag kein Haggis. Also lieben nicht alle Schotten Haggis.
Ob eine solche Aussage wirklich die Diskussion weiter bringt oder ob es sich eher um ein Ablenkungsmanöver handelt (oder zumindest so verstanden wird), hängt von der jeweiligen Situation ab. Zumindest aber ist die Aussage „Alle Schotten lieben Haggis.“ damit widerlegt.
Beispiele
Wirksamkeit von Homöopathie
Unter Homöopathie versteht man eine alternativmedizinische Behandlungsmethode, die behauptet, durch wiederholte Verdünnung eines Wirkstoffes eine stärkere Wirkung erreichen zu können. In wissenschaftlichen Studien konnte für diese Behandlungsmethode jedoch keine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirkung nachgewiesen werden.
Dennoch werden von Homöopathie-Anhängern gerne Argumente in Form von Anekdoten vorgebracht, welche angeblich die Wirksamkeit belegen sollen:
Meine Tante nimmt immer Globuli und ihr hat es immer geholfen.
Letztens hatte ich Kopfschmerzen und nachdem ich die homöopathischen Tropfen eingenommen hatte, waren sie schnell verflogen.
Um die Wirksamkeit einer Heilmethode zu bestimmen, müsste geklärt werden, welche anderen Faktoren zur Heilung beigetragen haben: in vielen Fällen gehen einfache Leiden (wie Kopfschmerzen) nach einiger Zeit ohnehin vorüber, auch ohne dass ein Medikament eingenommen wird. Darüber hinaus können verschiedene Selbstheilungsmechanismen des Körpers auch durch die Illusion der Einnahme eines Wirkstoffes (☞ Placebo) aktiviert werden. Dies nicht zu beachten, führt zu Prävalenzfehlern, hier also einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Wirksamkeit.
Anekdoten, wie die oben erwähnten, tragen in jedem Fall nichts zur faktischen Einschätzung der Wirksamkeit bei.
Siehe auch
Weitere Informationen
- Anekdotische Evidenz auf Wikipedia
- Fallbeispiel auf Das rhetorische Quartett
- Anecdotal evidence auf RationalWiki
- Argument from Hearsay auf Logically Fallacious