====== Fehler der eliminativen Induktion ====== Eine durch einen [[begriffe:induktion|induktiven]] Eli­minationsprozess etablierte //wahrscheinliche// Erklärung wird (fälschlich) als [[begriffe:deduktion|deduktiv]] //wahr// verstanden. Das bekannteste Beispiel für diesen Fehler stammt aus der Literatur: > „Wenn man alle un­mög­lichen Fälle aus­ge­schlossen hat, dann muss, was auch immer übrig bleibt, egal wie un­wahr­schein­lich es ist, die Wahr­heit sein.“ Diese Beschreibung der Methode, die der Autor [[wpde>Arthur Conan Doyle]] seinem Roman­detektiv [[wpde>Sherlock Holmes]] in den Mund legt, führt eben gerade //nicht// zu einer garan­tiert //wahren//, sondern höchs­tens zu einer //wahr­schein­lichen// Lösung. ===== Andere Namen ===== * [[logik:induktionsfehler:sherlock_holmes_fehler|Sherlock-Holmes-Fehler]] ===== Beschreibung ===== Der zugrunde liegende Fehler hier ist eine Ver­wechs­lung einer [[begriffe:abduktion|ab­duk­tiven]] Methode (ge­nannt: „eli­mina­tive In­duktion“) mit einer [[begriffe:deduktion|De­duktion]], so­wie als Folge davon, dem Ig­nor­ieren der Un­sicher­heiten, welche diese Methode mit sich bringt. ==== Eliminative Induktion ==== Der Prozess der //eliminativen Induktion// kann wie folgt beschrieben werden: * Entweder ''A'', oder ''B'', u.s.w. … oder ''N''. * ''A'' ist //un­wahr­schein­lich//. * ''B'' ist //un­wahr­schein­lich//. * … u.s.w. * ''N'' ist die bei weitem //wahr­schein­lichste//, bzw. //am wenigsten un­wahr­schein­liche// Erklärung. * Daraus folgt: ''N'' ist //wahr­schein­lich// die korrekte Erklärung. Auf diese Weise lässt sich eine Vielzahl von //mög­lichen// Er­klär­ungen auf eine oder wenige //wahr­schein­liche// reduzieren. Dabei muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass dieser Schluss eben nur mit einer gewissen //Wahr­schein­lich­keit// korrekt ist – und ins­be­son­dere sollte man be­reit sein, den Schluss zu re­vi­dieren, wenn neue In­for­ma­tionen ver­füg­bar sind, welche die Wahr­schein­lich­keiten ver­ändern oder auch wenn neue Er­klär­ungs­mög­lich­keiten (Theo­rien) vor­ge­tragen werden, welche wo­mög­lich besser sein können als die be­reits be­werteten. Insbesondere bei sozialen Phä­no­menen (wie eben in der Kri­mi­nal­istik) kann sich schon der //erste// Schritt, also das Auf­zählen aller mög­lichen Alter­na­tiven, als sehr schwierig bis un­mög­lich er­weisen. Noch weniger können dann alle (bis auf eine) sicher aus­ge­schlos­sen werden. Dies liegt daran, dass die Anzahl dieser Mög­lich­keiten und die damit ver­bund­enen An­nahmen und Ein­schätz­ungen sehr schnell völlig un­über­schau­bar werden. Letzten Endes kann man die Wahr­schein­lich­keiten also meist nur sehr vage //schätzen//. Der Fehler besteht nun aber darin, diese Un­sicher­heit zu ig­no­rieren und zu meinen, man habe auf diese Weise eine „garant­iert wahre“ Lös­ung ge­funden. ===== Wann sind solche Schlüsse gültig? ===== ==== Modus Ponendo Tollens ==== Dieser Fehlschluss ähnelt der „[[logik:fehlschluesse:affirmation_einer_disjunktion|Affirmation einer Disjunktion]]“, insofern er gültig sein kann, wenn sicher gestellt ist, dass wirklich alle möglichen Fälle erfasst werden. Zusätzlich müssen alle Möglichkeiten (bis auf eine) //formell// aus­geschlossen werden. Dies ist praktisch nur inner­halb von formellen Sys­temen wie der //Mathe­matik// oder //Infor­matik// möglich, jedoch sicher­lich nicht bei Themen des Sozialen oder insbesondere der Kriminologie. Für mehr Informationen, siehe: [[logik:schlussformen:modus_ponendo_tollens|Modus Ponendo Tollens]]. ==== Vollständiges Wissen ==== Außerhalb von formellen Systemen gibt es nur wenige Situationen, in denen wir tatsächlich vollständiges Wissen über einen Sachverhalt haben können. Dies trifft insbesondere zu, wenn diese sich auf eine relativ kleine Gruppe bezieht, die wir noch dazu tatsächlich gutes Wissen haben. Zum Beispiel kennen Eltern gewöhnlich ihre Kinder recht gut und können daher eliminative Schlüsse aufgrund dieses Wissens anstellen: > Irgendjemand hat von dem Kuchen genascht, der eigentlich für den Nachtisch gedacht war. > Kind A ist in der Schule. > Kind B ist gerade bei der Großmutter. > Daraus folgt: Kind C muss es gewesen sein. Auch hier könnte man allerdings argumentieren, dass andere, relativ unwahrscheinliche, Möglichkeiten nicht in Betracht gezogen wurden (es könnte ja jemand anderes gewesen sein als die Kinder), weswegen auch dieses nur ein „höchstwahrscheinlich“ korrekte Schlussfolgerung wäre. ===== Siehe auch ===== * [[logik:fehlschluesse:affirmation_einer_disjunktion|Affirmation einer Disjunktion]] * [[begriffe:induktion|Induktion]] * [[kausalitaet:monokausalitaet|(Fehlschluss der) Monokausalität]] * [[logik:fehlschluesse:negation_einer_konjunktion|Negation einer Konjunktion]] ===== Weitere Informationen ===== * [[https://rationalwiki.org/wiki/Holmesian_fallacy|Holmesian fallacy]] auf //Rational Wiki// (Englisch)