====== Mereologie ====== Die [[wpde>Mereologie|Mereologie]] befasst sich mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Teil und Ganzem. Es handelt sich dabei um ein Teil­gebiet der [[wiki>logik/hauptseite|Logik]] und [[wpde>Metaphysik|Meta­physik]], und sie hat prak­tische An­wend­ungs­gebiete, unter anderem in Be­reichen der [[wpde>Künstliche Intelligenz|künst­lichen In­tel­li­genz]] und der [[wpde>Wissenschaftstheorie|Wissen­schafts­theorie]]. Der Name leitet sich vom alt­griech­ischen Wort „méros“ [μέρος] ab, was so viel wie „Teil“ oder „An­teil“ be­deutet. Es ist also die „Wissen­schaft von den Teilen“. Insbesondere ist die //Mereo­logie// aber auch Namens­geber eines Denk­fehlers, der auf einem Miss­ver­ständnis da­rüber be­ruht, in welchem Ver­hält­nis Teil und Ganzes zu­ein­ander stehen: ===== Mereologischer Fehlschluss ===== Insbesondere wenn man //Systeme// be­trachtet, bei denen ver­schiedene Be­stand­teile zwar //im Prin­zip// unter­schied­liche Auf­gaben über­nehmen, kann man leicht ver­gessen, dass diese ihre Auf­gabe nur im Zu­sammen­spiel mit anderen Be­stand­teilen aus­üben können. Ein gutes Beispiel für ein solches Sys­tem ist der mensch­liche Körper und ein Bei­spiel für einen solchen „mereo­logischen“ Fehl­schluss wäre etwa die folgende Aussage: > Das //Gehirn// ent­scheidet über unser Ver­halten. Zweifellos ist das Gehirn //wesent­lich// für Ent­scheid­ungs­pro­zesse, die wir als „Ver­halten“ be­zeichnen, ge­nau­so wie aber auch die Füße nicht alleine da­für ver­ant­wort­lich sind, wie schnell wir rennen können, oder die Arme dafür, wie schwere Dinge wir heben können, kann auch das Gehirn nicht ohne andere Körper­teile „ent­scheiden“. Alleine schon der Ein­fluss, den die Hor­mone oder die Sig­nale des Ver­dau­ungs­sys­temes auf unser Ver­halten haben, macht deut­lich, dass ein solcher Schluss das Phä­no­men „Ver­halten“ allzu sehr ver­einfacht. Ein weiteres Beispiel ist die Politik eines Landes: diese wird nicht „nur“ von der Re­gier­ung (noch weniger von der Re­gier­ungs­chef­in/dem Re­gier­ungs­chef) be­stimmt, sondern ent­steht im Zu­sammen­spiel von zahl­reichen Aktoren und Inter­essen­gruppen. ==== Umgekehrter Mereologischer Fehlschluss ==== Auch der umgekehrte Weg kann ein Fehler sein: wenn nämlich die Funk­tionen eines Teiles auf das Gesamte über­tragen werden. > //China// hat ent­schieden, bis 2035 keine Fahr­zeuge mit Ver­brenn­ungs­motor mehr zu­zulassen. Diese Ent­scheidung wurde aber nicht von „China“ getroffen – was ein //Land// ist, also ein ab­straktes Gebilde und damit kein Aktor, welcher Ent­scheid­ungen tref­fen kann (siehe hierzu auch das Kapitel [[allgemein:abstraktion:hauptseite|Ab­strak­t­ion]]), und auch nicht von der Be­völk­er­ung dieses Landes, sondern von dessen Re­gierung, also einem (zwei­fel­los wich­tigen) Teil­sys­tem des Landes. ==== Gebrauch als rhetorisches Mittel ==== Das typische Merkmal für den //mereologischen Fehl­schluss// ist, dass ein funk­tio­naler Teil des Ganzen für die Funk­tion des Ganzen ver­ant­wort­lich gemacht wird, bzw. um­ge­kehrt das Ganze für etwas, was eigent­lich die Funktion eines Teiles ist. Damit ähnelt dies den als „[[wpde>Pars pro toto|pars pro toto]]“ bzw. „[[wpde>Totum pro parte|totum pro parte]]“ be­kannten rhetorischen Figuren, bei denen man auf ähnliche Weise einen Teil für das Ganze (etwa „die eigenen vier Wände“ als Um­schreib­ung für das Zu­hause) oder das Ganze für einen Teil er­setzt (zum Beispiel: „Deutsch­land hat ge­wählt“, während tatsächlich „nur“ der wahl­berecht­ig­ten Teil der Be­völk­er­ung ge­wählt hat). Allerdings liegt es gerade im Wesen dieser rhe­tor­ischen Fig­uren, dass sie so ge­braucht werden, dass die Ver­ein­fach­ung darin er­kenn­bar bleibt. Zu einem Denk­fehler wird es erst, wenn das Risiko be­steht, dass diese Ver­wechs­lung nicht mehr offen­sicht­lich ist und somit Teil und Ganzes in der Tat ver­wechselt werden. ==== Abgrenzung zu anderen Denkfehlern ==== Insbesondere die im Kapitel zur [[allgemein:teil_und_ganzes:emergenz:hauptseite|Emergenz]] er­wähnten Trug­schlüsse der [[wiki>logik/emergenzfehler/trugschluss_der_division|Division]] bzw. [[wiki>logik/emergenzfehler/trugschluss_der_komposition|Kom­posi­tion]] haben viele Ge­mein­sam­keiten mit dem //mereo­logischen Fehl­schluss// und sind in vielen Si­tu­a­tionen wahr­schein­lich auch nicht unter­scheid­bar. Ähn­liches gilt auch für den unter „[[allgemein:teil_und_ganzes:verallgemeinerung|Ver­all­ge­mein­er­ung]]“ er­wähnten [[wiki>mathematik/statistik/interpretationsfehler/oekologischer_fehlschluss|öko­logi­schen Fehl­schluss]]. In vielen Pub­lika­tionen werden diese Fehler daher auch oft einfach zu­sammen­gefasst. Allerdings gibt es einen spe­zi­fi­schen As­pekt des //mereo­lo­gi­schen Fehl­schlusses//, der diesen Fehler von den anderen Fehlern unter­scheidet, nämlich, dass er sich spe­zi­fisch auf ein //Sys­tem// bezieht, welches //un­zu­lässig// auf einen Teil re­du­ziert wird. Dagegen be­ziehen sich die anderen hier ge­nannten Denk­fehler auf Gruppen oder Popu­la­tionen. ===== Links ===== * [[wiki>denkfehler/verallgemeinerungen/mereologischer_fehlschluss|Mereologischer Fehlschluss]] {{page>templates:footer#teil_und_ganzes&noheader&nofooter}}